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: Nike wird Teil der Elite und zieht nach Berlin-Mitte

Die freie Welt

Zu Beginn des Jahres zeigte Nike in speziell auf Berlin zugeschnittenen Werbespots Jugendliche, die auf eingezäunten Bolzplätzen in Kreuzberg schnellen Fußball spielten. Die Bilder waren verwackelt und die Musik war hart. „Die freie Welt ist hinter Gittern“ lautete der Slogan des Werbeclips. Die Spots waren Teil einer über das gesamte Jahr angelegten Fußballkampagne. Pünktlich zur EM wird sie jetzt mit dem „Nike Park“ in Berlin-Mitte fortgesetzt, in jenem Stadtteil also, in dem sich die Teams zukunftsträchtiger Internet-Start-ups mit denen der Regierungsparteien zum Samstagsnachmittags-Kick verabreden.

Bei der Eröffnung war schon von weitem DJ Tomekks „Ich lebe für HipHop“ zu hören, und obwohl der gesamte Fußballpark in der prallen Mittagssonne lag, standen achtjährige E-Jugendspieler gemeinsam mit zwanzigjährigen Erstmannschaftsmitgliedern Schlange. Sie alle wollten die zwölf Trainingsstationen testen, denen Nike den trendgerechten Namen „fußballorientierte Interactives“ gegeben hat: An der Station „Cyborg – Bierhoff’s Game“ zum Beispiel lernen die Kids ein paar von den Tricks, die sie einmal zu Topstürmern machen werden. Oliver Bierhoff gehörte einst zur Weltelite der Torjäger. Deshalb prangt er auch – neben anderen europäischen Spitzenfußballern wie Edgar Davids und Luis Figo – von den Plakaten, mit denen Nike für die Aktion in Berlin wirbt. Das Plakat versucht, den aktuellen Fernseh-Kinospot des Unternehmens in einer Szene fest zu halten. Im Clip befreit die „Nike Geo Force“, eine schnelle Eingreiftruppe aus den Stars der Champions League, den Ball „Geo“, der von einer bösen Macht im monumentalen Palazzo della Civiltà del Lavoro festgehalten wird – einem faschistischen Prachtbau aus dem Italien Mussolinis.

Das Plakat friert nun den Moment ein, in dem das Gebäude explodiert und die Fußballer mit dem Ball entkommen. In diesem Bild vermischen sich etliche totalitäre Ästhetiken: Sonnenstrahlen aus dem sozialistischen Realismus scheinen über der Szene, in der Bierhoff und die anderen Stars vor dem explodierenden Mussolini-Bau fliehen. Doch ihre Gesichter sind ruhig, gütig und erleuchtet – wie die Helden der Gemälde stalinistischer Zeiten. Das Logo des „Nike Parks“ wiederum ist wie aus einem Granitblock gehauen, ruht auf einem wuchtigen Sockel und schmiegt sich ästhetisch an die dahinterliegende Fassade des Palazzo della Civiltà del Lavoro an. Damit geraten die Bedeutungen endgültig durcheinander. Die Zuordnungen „böse Architektur“ und „gute Fußballer“ stimmen nicht mehr, und der auf die Plakate gedruckte Slogan „Werde Teil der Elite (wenn du kannst)“ schafft keine Differenz, sondern heizt das verwirrende Spiel mit den Zeichen noch an.

Nur wenige scheinen sich daran zu stören. Ganze Heerscharen von Jugendlichen marschieren in den Sportpark an der Chausseestraße und feiern den Einzug von Nike in Mitte. Indem das Unternehmen vom egalitären Prinzip Kreuzberg aufs elitäre Prinzip Mitte umgeschwenkt ist, ist ihm offensichtlich ein weiterer Wurf in der eigenen Mythenbildung gelungen. CHRISTOPH BRAUN