Europa erinnert sich an seine Verbrechen

In Frankreich und Belgien beginnt eine Debatte um die schmutzige Geschichte der Auflösung der Kolonialreiche

BERLIN taz ■ Europa beginnt, sich mit seiner Kolonialvergangenheit auseinanderzusetzen. Führende pensionierte Militärs nehmen in Frankreich und Belgien Stellung zu ihren Untaten während der Entkolonialisierung.

So hat der französische General Jacques Massu, Armeekommandant während des Algerienkrieges 1954–62, gesagt, er „bedaure“ die damals übliche Folter algerischer Gefangener. Die Äußerung des heute 92 Jahre alten Massu hat eine Debatte über den französischen Algerienkrieg entfacht, bei dem bis zu 1,5 Millionen der damals zehn Millionen Algerier getötet wurden.

Zugleich widmet sich Belgien der blutigen Entkolonialisierung des einstigen Belgisch-Kongo 1960. In Erwartung einer parlamentarischen Untersuchung der Ermordung des kongolesischen Unabhängigkeitsführers Patrice Lumumba haben führende belgische Militärs Aufsehen erregende Einzelheiten über Belgiens Rolle beim damaligen Zerfall des Kongo enthüllt.

Am 14. Juni hatte Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika als erster ausländischer Staatschef vor dem französischen Parlament die Verbrechen des Kolonialismus angesprochen. „Sich davon die Hände zu waschen bedeutet, einer politischen Praxis zu folgen, die eines Pilatus würdig ist“, sagte er. „Die schwere moralische Schuld der früheren Mutterländer gegenüber ihren einstigen Verwaltungsobjekten erweist sich als unauslöschlich und – warum es nicht eingestehen – unverjährbar.“ D.J.

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