Japan wählt den Status quo

Regierungskoalition siegt bei den Parlamentswahlen. Der unbeliebte Premierminister Yoshiro Mori bleibt im Amt. Aber auch die größte Oppositionspartei macht Gewinne

TOKIO taz ■ Die japanische Wählerschaft hat sich gestern gegen einen unsicheren Wandel mit neuen Parteien an der Regierungsspitze entschieden. Nach ersten Auszählungsergebnissen zeichnete sich ein deutlicher Sieg der regierenden Dreierkoalition aus Liberal-Demokraten (LDP), der Neuen Komeito Partei und der Konservativen Partei ab. Hiromu Nonaka, der LDP-Generalsekretär und starke Mann hinter Premierminister Yoshiro Mori, erklärte, dass der unpopuläre Mori einem neuen Kabinett vorstehen werde.

Die Regierungskoalition kann mit rund 270 der 480 Sitze im neuen Unterhaus rechnen. Das ergaben Wahllokalbefragungen der vier größten Fernsehsender des Landes. Die seit 1955 fast ununterbrochen regierende LDP wird trotz rethorischer Ausrutscher von Mori voraussichtlich mehr als 230 Sitze für sich allein gewinnen. Damit wackelt der Sitz des Premierministers nicht, und Mori wird im Juli dem G-8-Treffen in Okinawa vorstehen.

Einen Denkzettel verpassten der japanische Souverän allerdings den Koalitionspartnern der LDP. Die Neue Komeito Partei, die mit der neubuddhistischen Laiensekte Soka Gakkai eng verbandelt ist, wird nur noch 30 Sitze (davor 48) im neuen Unterhaus besetzen. Als große Verliererin gilt der Juniorpartner der Dreierkoalition, die Konservative Partei, die sich mit weniger als der Hälfte der 18 bisherigen Sitze begnügen muss.

Für die Demokraten als stärkste Oppositionskraft unter der Leitung des Altpolitikers Yukio Hatoyama sind diese Unterhauswahlen besser verlaufen als angenommen. Im neuen Parlament können die Demokraten mit 130 Sitzen (96) rechnen. Naoto Kann, der populäre Generalsekretär der Partei, sieht in diesem Erfolg eine klare Tendenz hin zu zwei großen Parteien. Die Gewinne der Demokraten gingen allerdings auf Kosten der Sozialdemokraten und Kommunisten.

Das Wahlergebnis wird bereits als Bestätigung des wirtschaftspolitischen Kurses der LDP gewertet. Mehr Stimulierungspakete der öffentlichen Hand und wenig echte Deregulierung sind in den nächsten Jahren angesagt. Ein Wermutstropfen bleibt den japanischen Politikern. Noch nie sind so wenig Bürger und Bürgerinnen an die Urnen gegangen. Offiziell waren es diesmal nur noch 55 Prozent, fast 2 Prozent weniger als vor vier Jahren.

ANDRÉ KUNZ