Einzelfall oder Volley-Vorlage für Inneres?

■ Innenressort sieht sich bestätigt: Minderjährige Ausländer, deren Eltern bei der Einreise falsche Identitäten der Kinder angaben, müssen ausreisen

Innensenator Bernt Schulte (CDU) sieht sich einen guten Schritt weiter in dem Vorhaben, Asylsuchende aus Bremen abzuschieben, die sich durch falsche Identitätsangaben ein Bleiberecht verschafft haben sollen. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bremen hat jetzt die Beschwerde der Familie B. gegen ihre Ausreisepflicht zurückgewiesen. Der inzwischen volljährige Familienvater war als minderjähriges Kind mit seinen Eltern in Deutschland eingereist. Damals hatten die Eltern für die gesamte Familie zunächst als türkische Staatsangehörige Asyl beantragt. Später wurde unter anderen Namen in Bremen ein erneuter Asylantrag als staatenlose Palästinenser aus dem Libanon gestellt. Ende 1998 ermittelten die Behörden diesen Widerspruch und stuften die Familie als türkische Staatsangehörige ein. Im Verfahren sei diese Identität auch eingeräumt worden, so der OVG-Sprecher.

Das OVG vertritt nun in seinem Beschluss die Auffassung, dass der Betroffene und seine Familie in die Türkei ausreisepflichtig sind, obwohl seine Eltern und nicht er selbst die Angaben gemacht habe. Denn nachdem der Asylantrag als staatenloser Palästinenser aus dem Libanon abgelehnt worden sei, sei den Betroffenen zwar eine Aufenthaltsgenehmigung ausgesprochen worden – allerdings nur, weil die Abschiebung in das vermeintliche Herkunftsland unmöglich war. Die Aufenthaltsgenehmigung sei somit „asylverfahrensabhängig“ ausgesprochen worden. Da sich neue Kenntnisse über die Nationalität ergeben hätten, sei das Aufenthaltsrecht jedoch nicht mehr gültig.

Die Tatsache, dass die Betroffenen nur deutsch und arabisch sprechen, sei kein Hinderungsgrund – zum einen lebten in der Türkei rund eine Million Menschen, die arabisch als Muttersprache sprächen, zum anderen sei es zumutbar, die türkische Sprache zu erlernen. Auch dringende humanitäre Gründe lägen nicht vor.

Die nun Ausreisepflichtigen gehören zu der Gruppe von laut Innenbehörde 532 Personen, die im Februar als „Asylbetrüger“ und „Schein-Libanesen“ durch die Medien gereicht wurden – der Großteil davon sind offenbar Minderjährige, die mit ihren Familien nach Deutschland eingereist sind. Innensenator Schulte erklärte damals, in einem „spektakulären Ermittlungserfolg“ sei klar geworden, dass die Betroffenen wegen der falschen Identitätsangaben den Steuerzahler „Unsummen“ gekostet und das Asylrecht missbraucht hätten. Seitdem prüfen Bremer Gerichte in Einzelfällen, welche Identität die Betroffenen tatsächlich haben und ob Ausreisepflichten bestehen.

Mit dem nun bekannt gewordenen Urteil werde bestätigt, dass ein „Abschiebungshindernis auch dann nicht besteht, wenn den Betroffenen eine Täuschung über ihre Identität aufgrund ihres kindlichen Alters bei der Einreise nicht vorgeworfen werden kann und sie sich während der langen Dauer ihres Aufenthaltes integriert haben“, erklärte gestern das Innenressort. Insofern sei der Beschluss des OVG für die weiteren Verfahren „von erheblicher Bedeutung“. Weiter erklärte Schulte, das Schicksal der Kinder sei „die Folge verantwortungslosen Handelns ihrer Eltern. Ich freue mich, dass durch diese Entscheidung des OVG Bremen klargestellt ist, dass man sich sein Aufenthaltsrecht in Deutschland nicht erlügen kann.“

Der Sprecher des OVG, Hans Alexy, legte allerdings Wert auf die Feststellung, dass es sich im vorliegenden Verfahren um einen Einzelfall handele. Daran tut er gut. So waren im Mai zwei Personen vor dem Amtsgericht vom Vorwurf der Urkundenfälschung freigesprochen worden. Auch sie hatten offenbar zu dem Kreis der „falschen Libanesen“ gezählt. Der Richter hatte moniert, dass die Polizei keine klaren Beweise für die türkische Identität der zwei beigebracht habe. cd