IN DER FDP WIRD EIN ERBITTERTER KAMPF UM DEN PARTEIVORSITZ GEFÜHRT
: Machtkampf pur

Der Burgfriede, den die FDP sich auf dem Parteitag in Nürnberg verordnet hat, währte nur kurz. Das neue Zeitalter, das Generalsekretär Guido Westerwelle und NRW-Parteichef Jürgen W. Möllemann beim Parteitag vor gut einer Woche einläuten wollten, will nicht beginnen. Und vom viel beschworenen Fun-Faktor der Liberalen ist nichts zu spüren. Nichts mit Spaßgesellschaft und glücklichen Menschen. Hinter den Kulissen, aber kaum noch zu verbergen, kämpfen Noch-Parteichef Wolfgang Gerhardt, Generalsekretär Guido Westerwelle und NRW-Möchtegernsupermann Jürgen W. Möllemann unverhohlen um die Macht. War vor der gestrigen Präsidiumssitzung noch von einer Verschwörung gegen Möllemann die Rede, ging Gerhardt eindeutig als Verlierer aus der Veranstaltung.

Schon auf der ersten Präsidiumssitzung nach dem Parteitag in Nürnberg, der laut Generalsekretär Guido Westerwelle die große „Zäsur“ darstellen sollte, hatten sich die Akteure munter weiter bekriegt. Im offiziellen Sprachjargon von Gerhardt heißt das dann, er und Möllemann hätten sich „ausdrücklich bestätigt“, dass sie „einen anderen Persönlichkeitstypus“ hätten. – Man muss wohl schon Germanist sein, um abgrundtiefe Abneigung so schön verbrämt wiedergeben zu können!

Der Partei fehlt nicht nur eine überzeugende Führungsfigur. Es fehlen klare Inhalte, und es fehlt die Richtung. Wollen die Liberalen nun als dritte Kraft wieder den etablierten Mittelstand bedienen, den Selbstständigen, der es aus eigener Kraft zu etwas gebracht hat und Wert auf eine gewisse Seriosität legt? Dann brauchen sie einen gestandenen und soliden Parteichef. Oder wollen sie sich als neue Partei der Jüngeren verkaufen, die sich zur Volkspartei der @-Generation mausern will – wie Westerwelle und Möllemann das nach dem Wahlerfolg bei der NRW-Landtagswahl anvisiert haben. Dann brauchen sie einen medienwirksamen Sprücheklopper, der sich nicht scheut, es auch mit SPD und CDU aufzunehmen.

Offensichtlich wissen die Liberalen aber auch nach Nürnberg nicht, wohin sie wollen. Deswegen haben sie jetzt auf ein altbewährtes Mittel zurückgegriffen – und eine Arbeitsgruppe gebildet. Sie soll Wahlstrategien für die anstehenden Landtagswahlen und für die Bundestagswahl 2002 entwickeln und hat den besonderen Charme, dass Parteichef Gerhardt dem Gremium nicht angehört. Ganz effizient ist die Arbeitsgruppe so schon zu einem Ergebnis gekommen: Wer immer der nächste Parteichef werden wird, Gerhardt wird es nicht mehr. Doch damit ist noch nichts gewonnen. Möllemann und Westerwelle werden weiter um die Macht rangeln. Sie wissen, dass auch in ihrer neuen FDP an der Spitze nur einer Platz hat. KARIN NINK