Ein deutscher Zeitungsleser

Erich Kuby, Journalist und Schriftsteller, feiert heute seinen 90. Geburtstag. Als Publizist hat er wie kein Zweiter die Geschichte der Republik nicht nur verfolgt, sondern auch nach Kräften gestaltet

Am Glücklichsten war Erich Kuby wohl beim Stern: Unter der Führung von Henri Nannen und Manfred Bissinger war die Illustrierte tatsächlich politisch, brisant, auch offen für Abwegiges, und Kuby einer der meistgedruckten Reporter, dessen Artikel mühelos den Bogen von Soraya über die Gruppe 47 zum Sozialistischen Deutschen Studentenbund SDS schlugen.

Als Nannen 1964 Franz Josef Strauß eine wöchentliche Kolumne anbot, setzte er damit Kuby vor die Tür. Der Spiegel wartete schon, doch hier passte Kuby nicht zum Blatt. „Da muss man ein anderes Verhältnis zur Hierarchie haben“, sagte er unlängst in einem Interview.

Kuby, 1910 in Baden-Baden geboren, hatte in München und in Berlin erste journalistische Gehversuche gemacht, war im Zweiten Weltkrieg Soldat und arbeitete nach Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft für die US-Administration in München, später rund zehn Jahre für die Süddeutsche Zeitung. Langweilig sei ihm da geworden, bekannte er einmal, Springers Welt reizte ihn, auch weil Axel Springer 1958 noch nicht den antikommunistischen Kurs verfolgte. Doch als sich Springer in Sachen Wiedervereinigung selbst zum Außenpolitiker machte, scheiterte und sich fortan trotzig-deutschnational gerierte, war das Intermezzo für Kuby vorbei. Er, der „negative Nationalist“ (Kuby über Kuby) war zwar wie kaum ein anderer Journalist der 50er- und 60er-Jahre auch im anderen Deutschland unterwegs, ohne es pauschal zu verteufeln. Prokommunistisch, wie damals seine Gegner geiferten, war der zutiefst bürgerliche Journalist aber nie. Der BRD warf er vor, für die Westintegration ihre Identität auf Spiel zu setzen („Das ist des Deutschen Vaterland“, 1957), und auch über die spießige Adenauer-Ära fällte er sein Urteil („Rosemarie – Des deutschen Wunders liebstes Kind“).

Seit 1994 lebt Kuby in Venedig, für den Freitag verfasst er noch immer wöchentlich die Medienkolumne „Der Zeitungsleser“. Heute wird Erich Kuby 90 Jahre alt. STG