Die Märkte öffnen

Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul fordert die Überwindung des Protektionismus der Industriestaaten

GENF taz ■ Die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), hat gestern die „Überwindung von offenem und verdeckten Protektionismus“ der Industriestaaten verlangt. Das sei die unerlässliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Armutsbekämpfung und die Verwirklichung der sechs Kernnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sowie anderer sozialer Mindeststandards auch in den Ländern des Südens. Allein für die „Abschottung ihres Agrarsektors“ wendeten die Industriestaaten 350 Milliarden US-Dollar auf, kritisierte die Ministerin am Dienstag vor der Genfer Nachfolgekonferenz zum Kopenhagener UNO-Sozialgipfel. Das sei etwa das Siebenfache der Summe, den die Industriestaaten für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit ausgeben. Die Liberalisierung der landwirtschaftlichen Märkte würde den Ländern des Südens zusätzliche Einnahmen von rund 40 Mrd. US-Dollar pro Jahr einbringen.

Vor Journalisten äußerte Wieczorek-Zeul die Erwartung, dass die Agrar- und Wirtschaftsminister der Europäischen Union bei den künftigen Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) „mehr Flexibilität“ als bislang zeigen. Mit Blick auf die Globalisierung forderte Wieczorek-Zeul die Entwicklung allgemeingültiger Regelwerke, die analog zur Bildung des Sozialstaates und der Entwicklung der sozialen Marktwirtschaft in den europäischen Ländern im 19. und 20. Jahrhundert die Kräfte des Weltmarktes in soziale und ökologische Schranken verweisen“.

Das BMZ wies unterdessen Berichte vom Montag zurück, wonach Deutschland beim Anteil der Ausgaben für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit am Bruttosozialprodukt – der so genannten ODA-Quote – nach den Kürzungen der rot-grünen Koalition bei unter 0,3 Prozent liege. Laut BMZ wurde der „historische Tiefstand von 0,26 Prozent bereits 1998, dem letzten Jahr der Kohl-Regierung, erreicht“. 1982, im letzten Jahr der sozialliberalen Koalition, habe die ODA-Quote noch bei 0,48 Prozent gelegen. 1999 wurden die ODA-Mittel im Vergleich zum Vorjahr zwar um 2,4 Prozent auf 10,1 Millarden Mark gesteigert. Die ODA-Quote blieb jedoch unverändert bei 0,26 Prozent, weil gleichzeitig auch das BSP von 3,75 Billionen auf 3,83 Billionen Mark anstieg. ANDREAS ZUMACH