Haarscharf am Wahlsieg vorbei

Bei den Parlamentswahlen in Simbabwe gewinnt die neue Oppositionspartei MDC aus dem Stand 57 von 120 zur Wahl stehenden Sitzen. Präsident Mugabes Regierungspartei verliert ihre Allmacht. „Simbabwe wird nie mehr so sein, wie es war“

von KORDULA DOERFLER

Nach den Wahlen ist in Simbabwe nichts mehr so, wie es war. Erstmals seit der Unabhängigkeit wird im Parlament in Harare mit der Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC) eine starke Opposition sitzen. Denkbar knapp nur hat die langjährige Regierungspartei Zanu-PF ihre Mehrheit halten können. Von den 120 Abgeordneten, die zur Wahl standen, stellt die Zanu jetzt nur noch 62, die MDC kam auf 57. Ein Sitz ging an die Splitterpartei Zanu-Ndonga von Ndabaningi Sithole.

Eine starke Mehrheit wird die ehemalige Befreiungsbewegung Zanu im Parlament nur deshalb noch haben, weil Präsident Robert Mugabe auf Grund der geltenden Verfassung 30 weitere Abgeordnete selbst ernennen darf. Damit verfügt die Zanu über 91 Mandate und kann zwar jedes Gesetz durchbringen, die verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit allerdings hat sie verloren. Im letzten Parlament hatte die Zanu-PF noch 147 von 150 Sitzen.

„Die Zanu hat einen unfairen Vorteil“, kommentierte Lovemore Maduku, Jurist und stellvertretender Vorsitzender der unabhängigen Verfassunggebenden Versammlung (NCA) das Wahlergebnis gestern gegenüber der taz. „Eigentlich hat Mugabe nur drei Sitze Vorsprung. Die geltende Verfassung ist absolut undemokratisch.“ Trotzdem ist man in der NCA zufrieden mit dem Wahlausgang, weil Mugabe nun nicht mehr im Alleingang die Verfassung ändern kann. Das hat Mugabe in der Vergangenheit insgesamt 16 Mal getan und sich dadurch umfassende Vollmachten gesichert. Lediglich das Kabinett darf er jetzt noch allein ernennen. Die Opposition braucht er dabei nicht zu berücksichtigen, und er selbst ist auch noch bis zum Jahr 2002 gewählt.

Schon am zweiten Wahltag hatte die Zanu-PF wohl geahnt, dass die unerwartet hohe Wahlbeteiligung ihr schaden könnte. Sie kündigte an, unabhängig vom Wahlergebnis die Opposition keinesfalls an der Regierung zu beteiligen. Das jetzige Ergebnis aber hat vermutlich ihre schlimmsten Befürchtungen übertroffen und Mugabe noch einmal auch innerhalb seiner Partei erheblich geschwächt. Vier seiner Minister verloren ihre Parlamentsmandate, darunter Innenminister Dumiso Dabengwa und Justizminister Emmerson Mnangangwa.

Im Regierungspalast in Harare, der schon seit Tagen weiträumig abgesperrt war, hüllte man sich gestern vorerst in Schweigen. Mühelos gewann die MDC alle 19 Wahlkreise der Hauptstadt Harare und alle acht in der zweitgrößten Stadt des Landes, Bulawayo. Dort schlug der MDC-Generalsekretär und angesehene Verfassungsrechtler Welshman Ncube seinen Konkurrenten mit 21.100 zu 2.864 Stimmen. Sein Kollege David Coltart, Rechtbsberater von Parteichef Morgan Tsvangirai und einer von insgesamt fünf weißen MDC-Kandidaten, kam auf ein ähnliches Traumergebnis.

„Simbabwe wird nie mehr so sein, wie es war, auch wenn wir die Wahl nicht gewonnen haben“, sagte Coltart gestern der taz. Das gesamte Matabeleland rund um Bulawayo, in das Mugabe während der Achtzigerjahre eine Elitetruppe geschickt hatte, die Tausende von Zivilisten aus der Ndebele-Minderheit umbrachte, stimmte fast geschlossen gegen die Staatspartei.

Dass die überhaupt gewonnen hat, ist am Ende vermutlich der massiven Einschüchterungskampagne auf dem Land zu verdanken. Dort wurden in den vergangenen Monaten mehr als 1.500 weiße Großfarmen zum Teil gewaltsam besetzt und vor allem schwarze Farmarbeiter, die der MDC nahestehen, brutal eingeschüchtert und misshandelt. Trotzdem ließen sich selbst dort viele Wähler nicht davon abbringen, für die MDC zu stimmen. „Hätte es die Einschüchterung nicht gegeben, hätten wir die Wahlen klar gewonnen“, erklärte MDC-Führer Tsvangirai gestern in Harare. Zugleich beschwor er jedoch alle Simbabwer, den Wahlausgang zu akzeptieren.

In 20 Wahlkreisen, in denen das Ergebnis besonders knapp war, will die MDC es noch einmal gerichtlich überprüfen lassen. Bei zurückliegenden Wahlen hat es immer wieder Unregelmäßigkeiten zu Gunsten der Zanu gegeben. Auch Tsvangirai hat seinen Wahlkreis in Buhera östlich der Hauptstadt mit 10.316 zu 12.850 Stimmen verloren und wird deshalb vermutlich nicht im Parlament sitzen. MDC-Fraktionschef wird nun voraussichtlich sein Stellvertreter Gibson Sibanda, während Tsvangirai sich auf neue Aufgaben vorbereitet. In zwei Jahren, so verkündete er gestern, werde er als Präsidentschaftskandidat antreten.