Konsistentes Liedgut

■ Sie berserkern noch fast so schnell wie früher: Slayer trotzt der Kritik im Docks

20 Jahre Riff-Stakkato in Call & Response sind nicht alles: Kerry King züchtet auch Reptilien. Wäre er ein freundlicher und kluger Mensch, hätte er längst einen Gecko oder Leguan in Geschenkpapier an Clara Drechsler geschickt. Aber er ist Slayer, einer von drei längst amtlich beglaubigten „Mir-Doch-Egal“-Arschgeigen (plus variablem Schlagzeuger), und die fünfzehn Jahre zurückliegende Hymne der damaligen Spex-Redakteurin ist ihm sicherlich genauso einerlei wie seinen Fans.

Nach zwanzig Jahren konsistenten Liedguts und ebensolchen Interview-Aussagen verstummt auch die letzte alternative Lesart, und das Projekt Knochenbrecher taugt nur noch als alljährliche Reminiszenz an das unangenehmste und damit beste Einzelphänomen, das Metal je hervorgebracht hat. Die Frage, ob das notwendigerweise mit faschistoiden Inhalten einhergehen muss, bleibt nach wie vor ohne Antwort. Auch das wird sie höchstens trocken furzen lassen.

Das Schwert (oder die Gitarre) ist schließlich stärker als der Stift (oder das Hirn). King, sein riffender Gegenpart Jeff Hannemann und der melodielose Kläffer Tom Ararya werden irgendwann Videothekenbesitzer oder Steakhaus-Geschäftsführer. Noch aber wird gebellt und gedroschen, sicherlich nicht mehr ganz so schnell, doch wie der physiognomisch verwandte Gheorghe Hagi können auch die knapp Vierzigjährigen aus San Fancisco nochmal den einen oder anderen guten Lauf hinlegen. Dass es dafür jenseits der intellektuell tiefergelegten Metal-Szene immer noch Interesse gibt, hat seine Wurzeln in Drechslers Pamphlet. In der ihr eigenen Sujet-nahen Sprache hat sie den von „niederen Gefühlen“ getriebenen Spaß an der Anti-Haltung bestens belegt.

Zudem kam der ästhetische Segen in Form eines brefreienden „ich-will-das-aber-geil-finden-kön-nen“-Ausbruchs aus der einzig möglichen Sprechposition: der einer Frau aus dem Zentralorgan des linken Pop-Diskurs. So fand die eruptive Beichte quer durch die kulturpolischen Lager großen Wiederhall. Denn man wollte das geil finden dürfen. Wobei keine Platte, die erschien, den Mythos schmälerte: Immer noch gaben Slayer nichts als reaktionäre Scheisse von sich, und das, was Anfang der 80er eine musikalische Revolution war, wurde sukzessive zu stiernackigem Konservatismus. Kein Fußbreit der Moderne, Tod dem Crossover und Tritte für die Verweichlichten. Das ist frei von Humor und Ironie, die aber die glücklich geschundenen HörerInnen bitter nötig haben. „Demokratenspinner“ (Drechsler) bleiben wieder draußen.

  Holger in't Veld

Fr., 30.6., 20 Uhr, Docks, Spielbudenplatz