Keine Wanzen in der guten Stube

■ Der „Große Lauschangriff“ auf Bremen blieb bisher aus / Fehlen etwa die geeigneten Fälle für den Einsatz von Wanzen?

Stellen Sie sich vor, Ihre Großmutter handelt im großen Stil mit Heroin. Gemeinsam mit anderen Omas. Organisierte Kriminalität. Und dann das: An einem x-beliebigen Sonntag besuchen Sie die alte Dame, um ein Stück Sahnetorte abzustauben. Zack! Schon sind Sie Ihrer informationellen Selbstbestimmung beraubt, denn unter der Kaffeekanne klebt eine Wanze. Sie sind vollkommen schuld- und ahnungslos ein Opfer des „Großen Lauschangriffs“ geworden.

So weit ist es in Bremen noch nicht. Denn die als Geheimwaffe gegen die organisierte Kriminalität gepriesene akustische Wohnraumüberwachung wurde im kleinsten deutschen Bundesland bisher noch kein einziges Mal eingesetzt – zumindest bis Ende 1999. Das geht aus dem ersten Bericht der Bundesregierung über – Obacht! – „Maßnahmen nach Artikel 13 Abs. 3 GG in Verbindung mit § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO im Jahr 1998“ hervor. Aus dem Bremer Justizressort heißt es ergänzend, auch im Folgejahr habe es hierzulande keine entsprechenden Aktionen gegeben.

Lediglich in einem Fall soll 1999 ein Lausch-Antrag gestellt worden sein, der alsbald vom zuständigen Gericht abgelehnt wurde. Bundesweit ist laut Dr. Henning Maul-Backer, Bereichsleiter „Strafrecht“ im Justizressort, die Zahl der Abhöraktionen zwar gestiegen. Das Niveau jedoch ist niedrig: 1998 hatte es in ganz Deutschland insgesamt nur neun „Maßnahmen“ zwischen einem Tag und 42 Tagen Dauer gegeben.

Man fragt sich, warum Staatsanwaltschaft und Polizei so wenig Interesse zeigen, ihre großen Ohren zur Strafverfolgung auch wirklich zu nutzen. Seit 1998 haben sie das Recht, in bestimmten Fällen – und wenn sonst gar nichts mehr geht – Verdächtige auch daheim abzuhören. Menschenhandel, Geldwäsche, Erpressung, Mord oder Drogenhandel gehören zum Katalog möglicher „Anlasstaten“. Durch den Einfluss Henning Scherfs im Bundesrat war es 1998 immerhin gelungen, eine ganze Zahl von Berufsgruppen vor den elektronischen Attacken zu schützen. Ob gelauscht wird oder nicht entscheiden die Gerichte.

Warum also die Zurückhaltung? „Die rechtlichen Anforderungen sind hoch“, heißt es von Seiten der Polizei, und auch Bremens oberster Datenschützer, Sven Holst, ist der Meinung, „dass die gerichtliche Kontrolle funktioniert“. Schließlich ist der Lauschangriff auch ein Angriff auf verfassungsmäßig garantierte Grundrechte. Aus der geringen Zahl der Abhöraktionen dürfe man aber nicht schließen, dass die Maßnahme gänzlich überflüssig sei, meint Bereichsleiter Maul-Backer.

Der Bremer Rechtsanwalt Rolf Gössner ist vom Gegenteil überzeugt. Bei der Diskussion um die rechtliche Verankerung des Lauschangriffs ist seiner Meinung „ein Popanz“ aufgebaut worden. Man habe aus Wahlkampfgründen die Bedrohung durch die organisierte Kriminalität stark übertrieben. Dass nun so wenig gelauscht werde, hat Gössner zufolge möglicherweise den Grund, „dass kaum geeignete Fälle vorliegen.“

Wie auch immer: Auch wenn der Lauschangriff bislang auf sich warten lässt, ist man in Bremen keineswegs sicher vor dem großen Bruder: Polizeiliche Telefonabhörung gibt's laut Datenschützer Holst „massenhaft“ – die Rechtslage ist eine andere. Und auch der Verfassungsschutz hat seine Möglichkeiten. Sprich: Auch ein Telefonat mit der Oma kann Folgen haben. hase