Auf Du und Du mit der Pflege
: Gleicher füttern

■ Modellversuch zur Pflegeausbildung wird heute in Deputation beschlossen.

Auf nach Europa, ihr Kinderkrankenschwestern und AltenpflegerInnen – auf diesen simplen Nenner könnte man den Modellversuch bringen, dem heute die Deputation für Arbeit und Gesundheit zustimmen wird. Offiziell heißt das Ganze „Integrierte Pflegeausbildung in Bremen“. Neu und deshalb modellhaft: Auszubildende in der Kinderkranken-, der Kranken- sowie Altenpflege lernen gemeinsam, zumindest eine Zeit lang.

24 TeilnehmerInnen beginnen im Oktober den neuen Ausbildungsgang, erlernen in eineinhalb Jahren gemeinsam Pflegetheorie, gehen dann weitere eineinhalb Jahre in die Praxis und konzentrieren sich damit auf die vorab festgelegten Schwerpunkte Kinder, Erwachsene und alte Menschen, schauen jedoch immer wieder über den Tellerrand des eigenen Fachgebietes hinaus, indem sie auch in den jeweils anderen Gebieten arbeiten.

Die beteiligten Schulen sind die Fachschule für Altenpflege der Bremer Heimstiftung, die Kinderkrankenpflegeschule des Zentralkrankenhauses St.-Jürgen-Straße sowie die Krankenpflegeschule des Zentralkrankenhauses Bremen-Nord. Das Schlüsselwort heißt „Schlüsselqualifikation“: „Das heißt“, erklärt die Vorlage für die Deputation, „Fähigkeiten zu erlernen, die Pflegende in die Lage versetzen, situativ und individuell zu entscheiden, erlernte Grundprinzipien zu übertragen und ihre Erkenntnisse täglich neu in das therapeutische Team hineinzubringen.“ Bedeutet das das Gleichmachen der Pflegeberufe? „Wer pflegen kann, kann alle pflegen“, das sei früher die Devise gewesen, erläutert Doris Hoch, für die Grünen in der Deputation. Inzwischen seien die einzelnen Ausbildungen jedoch immer mehr auf Schwerpunkte ausgerichtet, die den neuen Anforderungen im Bereich Pflege nicht mehr gerecht werden. Wenn also der Modellversuch mehr Flexibilität in einen offenbar erstarrten Apparat bringen soll, warum wurde das nicht schon längst angegangen? „Das wundert mich auch“, sagt Doris Hoch, „dass das erst jetzt passiert.“ Auf traditionell gewachsene Ausbildungsgänge und auf eine langwierige politische Diskussion verweist dagegen Jörg Henschen, Sprecher des Sozialressorts.

Das detaillierte Curriculum steht noch nicht, aber die Bewerbungen gehen schon ein. Auch neu: Die BewerberInnen müssen sich in einem Assessment Center profilieren. „Es gibt immer wieder Klagen, dass die, die sich bewerben, unter Umständen den falschen Beruf gewählt haben“, begründet Henschen die neue Art der Bewerberauswahl. Der Modellversuch wird durch zwei wissenschaftliche Hilfskräfte am Institut für angewandte Pflegeforschung im Zentrum für Public Health der Universität Bremen begleitet. Das Projekt verursacht über die ohnehin anfallenden Kosten an den Schulen hinaus etwa 350.000 Mark für 42 Monate. Das Meiste kommt aus dem Europäischen Sozialfonds, rund 50.000 Mark von der Robert-Bosch-Stiftung.

Zurück zu Europa. Was bisher nur für Krankenpfleger und -schwestern galt, soll irgendwann auch für diejenigen, die mit den Jüngsten und den Ältesten arbeiten, zutreffen: Ihre Abschlüsse werden EU-weit anerkannt. Bei dem jetzigen Bremer Modell aber ist dies noch nicht der Fall. Die ModellschülerInnen heißen nach ihrem Abschluss nach wie vor „Krankenschwester“ oder -pfleger, „Kinderkrankenschwester“ oder „AltenpflegerIn“. Aber: Ein neues Krankenpflegegesetz ist geplant, hier würden die Pflegeberufe neu strukturiert und damit Europa-kompatibel. Und die Bremer Erkenntnisse sollen in diese Planungen einfließen.

sgi