stölzls konzept
: VIEL LYRIK, WENIG PROSA

Geschafft! Rechtzeitig bevor die Journalisten für ihre 100-Tage-Bilanzen in die Tasten greifen, hat der neue Kultursenator Christoph Stölzl vollbracht, was Vorvorgänger Peter Radunski nicht wollte und Vorgängerin Christa Thoben in ihrer kurzen Amtszeit nicht konnte: Er hat ein Konzept für die seit Jahren überfälligen Strukturreformen an den Berliner Bühnen vorgelegt.

Kommentarvon RALPH BOLLMANN

In dem Papier steht, was alle Kundigen längst wissen: Die Theater müssen Werkstätten und Verwaltungen zusammenlegen, Spielpläne besser abstimmen, ihr künstlerisches Profil schärfer voneinander abgrenzen. Und damit die Bühnen langfristig effizienter arbeiten können, muss das Land kurzfristig in die Renovierung der maroden Häuser und in Abfindungen für überzähliges Personal investieren.

Doch nicht an diesen Erkenntnissen mangelte es in der Vergangenheit, sondern an ihrer Umsetzung. Und dazu enthält das Stölzl-Papier wenig Konkretes – außer natürlich dem unterschwelligen Appell an die Senatskollegen, beim derzeitigen Tauziehen um den Haushalt 2001 die nötigen Millionen für den Kulturbetrieb lockerzumachen. Ohne konkreten Fahrplan für die Reformen werden sich die Finanzpolitiker allerdings kaum erweichen lassen.

In der einst geteilten Stadt geht noch immer Prestigedenken über Realitätssinn, wie die Posse um die Zukunft der Berliner Philharmoniker zeigt. Als läge die neue Hauptstadt auf einem anderen Stern, wollen die Lokalpolitiker ihre Elitetruppe nicht dem Bund überlassen – obwohl niemand sagen kann, wie der fällige Gehaltsaufschlag aus der klammen Landeskasse bezahlt werden soll.

Während die Politiker noch streiten, läuft den Theatern das Publikum davon. Nur 75 Prozent der Plätze sind an einem durchschnittlichen Opernabend besetzt – eine Folge schnell gestiegener Eintrittspreise, verstaubter Inszenierungen und verschnarchten Marketings. Sorgt der Senator hier nicht bald für Abhilfe, ist eine Debatte über Theaterschließungen kaum noch aufzuhalten. Für Stölzls Bilanz wäre das gar nicht gut.

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