Opfer des Holokohl

Anreisen wird er in einem geschlossenen Güterwaggon – heute tritt Deutschlands bekanntester Spendensammler mit einem gelben Stern an der Brust ins Rampenlicht

Ein paar Wochen ist es her, da rief in Berlin der TV-Journalist und Pitbullhalter Daniel Reynés zu einer Demonstration gegen das Zuchtverbot von Kampfhunden auf. Die auf der Demo mitgeführten Hunde, so Reynés in seinem Aufruf, würden „als Ausdruck ihrer Hilflosigkeit einen gelben Davidstern am Halsband tragen“. Nach Protesten gegen diese „Beleidigung von sechs Millionen ermordeten Trägern des gelben Sterns“, wie das Pariser Simon-Wiesenthal-Zentrum die angekündigte Hundekacke noch sehr verhalten bezeichnete, entschuldigte sich der Pitbull-Eigner. Er hätte mit seinem Vorschlag einen Fehler gemacht. Statt mit einem gelben Davidstern würden die Hunde, so tat er dann kund, für die Demo lediglich mit einem „K“ für Kampfhund ausgestattet.

Ebenfalls ein notorischer Kläffer und rechter Beißer, wenn auch nicht von einem Zuchtverbot bedroht, könnte demnächst noch einer mit einem gelben Stern oder wenigstens einem „K“ am Revers durch Berlin laufen: Helmut Kohl; sein „K“ aber stände natürlich für Kohlsch oder auch Kurios oder Komplettplemplem, je nach dem. Auf den Altbundeskanzler passte derzeit ja so einiges mit „K“, vieles allerdings auch mit ohne „K“. Mit „I“ zum Beispiel, wie Irre.

Deshalb liegt die Vermutung auch einigermaßen nahe, dass sich Kohl von jenem Berliner Kampfhundeaufruf hatte inspirieren lassen, als er neulich im ZDF die Boykottaufrufe der SPD gegen seine Wiedergutmachungs-Spendensammlung für die Parteikasse der CDU indirekt mit der Boykottierung jüdischer Geschäfte durch die Nazis verglich. Zumindest ist die Unverschämtheit, der Kohls Vergleich entsprang, mit jener der Kampfhundefreunde identisch – wenn nicht sogar noch ein gutes Stück identischer, denn Kohl entschuldigte sich bisher nicht nur nicht für seinen Vergleich, er fügte ihm noch etwas hinzu: So wie damals in der Zeit des Nationalsozialismus, so nämlich fügte er hinzu, hätten auch dieses Mal die Spitzen der SPD zum Boykottaufruf gegen ihn geschwiegen.

Bei so viel Irrsinn fällt es tatsächlich nicht mehr sehr schwer, sich Kohl mit einem an die Brust getackerten gelben Davidstern vorzustellen. Gemessen an seinem wirren NS-Vergleich wäre das ja auch nur konsequent. Und wer weiß: Womöglich hat ihm Gattin Hannelore auch schon den gestreiften Pyjama rausgelegt, damit er den demnächst öffentlich trage, als Hinweis darauf, wo er, der angeblich judengleich Boykottierte, seiner verqueren Logik nach enden muss: im KZ.

Vorläufig jedoch endet Kohl bloß da, wo solche wie er hingehören: vor dem Spenden-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags. Heute wird er dort erstmals erwartet. Nicht auszuschließen, dass er dazu in einem geschlossenen Güterwaggon der Deutschen Reichsbahn anreist samt einem Schild um den Hals, auf dem gekrakelt steht: Ich bin im Land das größte Schwein, ich sammel Spenden für die Christdemokraten ein.

Manchmal, und dafür ist Helmut Kohl derzeit der lebende, wenn auch nicht mehr ganz zurechnungsfähige Beweis, manchmal hinkt ein Vergleich nicht nur, wie man so sagt, manchmal sitzt er bereits im Rollstuhl. FRITZ TIETZ