Konzept nach 100 Tagen

Kultursenator Christoph Stölzl will die Bühnen der Hauptstadt in private GmbHs umwandeln und die Vielfalt des Angebots erhalten – nur mehr Geld gibt es nicht

Der Mann hat den Himmelfahrtsjob der Berliner Politik: Kultursenator Christoph Stölzl. Der langjährige Kohl-Protegé, frühere Leiter des Deutschen Historischen Museums und kurzzeitige Feuilleton-Chef der Welt hat nun fast 100 Tage hinter sich gebracht. Und endlich kommt Bewegung in die (Finanz-)Misere der einst gepriesenen Bühnenlandschaft an der Spree. Gestern musste Stölzl mit seinem Konzept zur Strukturreform der städtischen Bühnen die erste Feuertaufe bestehen. Er stellte es dem „Unterausschuss Theater“ des Abgeordnetenhauses vor.

Doch wer einen spektakulären High Noon erwartet hatte, wurde enttäuscht: Piano war die Tonlage – denn jeder wusste: Eine einschneidende Reform ist angesichts eines erwarteten Defizits von 57 Millionen Mark in zwei Jahren nicht zu vermeiden. Und im Gegensatz zu seiner rasch geflohenen Vorgängerin Christa Thoben (CDU) hat Stölzl wenigstens ein Konzept.

So soll es aussehen: Der Senator will kein Haus schließen. Damit lasse sich, wie sich nach dem spektakulären Aus für das Schiller Theater gezeigt habe, kaum etwas sparen. Die Eintrittspreise würden, wenn nötig, erhöht, Personal müsse abgebaut werden. Da es eine Beschäftigungsgarantie für die öffentlichen Angestellten gebe, müsse man ihnen Abfindungen anbieten – 14 Millionen Mark sollen dafür reichen. Mindestens zwei der drei teueren Opernhäuser der Stadt sollen zusammengefasst werden, es blieben jedoch drei Spielstätten. Nicht jede von ihnen brauche eine eigene Werkstatt.

Vor allem aber: Die Bühnen sollen in GmbHs umgewandelt werden. Dann könne man leichter Angestellte entlassen und auch niedrigere Haustarife bezahlen. Etwa 180 Stellen könnten im Laufe der Jahre wegfallen. Das spart Geld, denn 85 Prozent der Kosten verursacht das Personal. Nach aller Verschlankung werde „am Schluss die ideale Oper herauskommen“, versprach der Senator.

Die Abgeordneten zeigten sich nicht so überzeugt davon. Aber ein wenig dankbar, dass zumindest ein „ordentliches Papier“ vorgelegt worden sei, wie die Bündnisgrünen lobten. Die PDS maulte dagegen: Wie könne man bei der Privatisierung verhindern, dass nur noch „Die Lustige Witwe“ gegeben werde – oder „der dritte Don Giovanni“, was selbst ein CDU-Kulturexperte befürchtete.

Und da sind auch noch die Berliner Philharmoniker: Die wollen vier Millionen Mark mehr. Denn ihr Salär liege nicht mehr deutlich über dem ihrer Kollegen etwa aus München, wie Intendant Elmar Weingarten sagte – für so ein Spitzenorchester sei das unangemessen.

Der designierte Nachfolger Sir Simon Rattle will den Laden reformieren. Nun hat Kulturstaatsminister Michael Naumann angeboten, dass der Bund das Berliner Kleinod übernimmt, während es Stölzl und der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) in Landesbesitz halten wollen. Das Orchester sei wichtig für die Identität der Stadt, erläuterte der Kultursenator den Abgeordneten. Und so blieb gestern nur eine Frage offen: Kann sich die Hauptstadt das überhaupt noch leisten?PHILIPP GESSLER