Weltbank in Erklärungsnot

Bericht der Untersuchungskommission kritisiert Umsiedlungsprojekt zur Armutsbekämpfung in China. Man habe die eigenen Richtlinien missachtet

BERLIN taz ■ Die Weltbank wird in einem internen Bericht ihrer Untersuchungskommission erneut beschuldigt, zentrale eigene Richtlinien verletzt zu haben. Gegenstand der kritisierten Untersuchung ist ein international heftig umstrittenes Projekt zur Armutsbekämpfung in China, bei dem 58.000 Han-Chinesen in traditionell tibetisches Gebiet umgesiedelt werden sollen. Die Bank habe ihre Richtlinien bezüglich Umweltverträglichkeitsprüfung, Umsiedlung, Ureinwohner und Information nicht eingehalten, führen die Autoren aus. Nachdem Auszüge des Berichtes trotz aller Versuche, ihn geheim zu halten, bekannt geworden sind, gibt es nun Streit in der Entwicklungsbank. Am 6. Juli soll das Exekutivdirektorium der Weltbank über weitere Schritte beraten. Der Bericht bestätigt Kritikpunkte, die seit Jahren von regierungsunabhängigen Organisationen gegen das Projekt angeführt wurden.

Das „China Western Poverty Reduction Program“ (CWPRP) ist Teil eines Programms zur Armutsbekämpfung in den ärmsten Provinzen Chinas. 40 Millionen US-Dollar will die Bank nach bisherigen Plänen bereitstellen, um die armen Bauern in der Provinz Qinghai, 450 Kilometer weiter weg, neu anzusiedeln. Dort soll eine Halbwüste mittels Bewässerung in eine Agrarzone umgewandelt werden. Die Provinz Qinghai ist zwar offiziell chinesisches Gebiet, gilt aber als traditionell tibetisch. Mit der Umsiedlung von Chinesen in die tibetischen Gebiete will die Regierung offenbar den Widerstand der Tibeter gegen die völkerrechtswidrige Annektion ihres Landes brechen.

Wegen der weltweiten Kritik an dem Projekt bewilligte die Bank im Juni 1999 zwar Kredite für das Gesamtprojekt, sperrte die Gelder für diese Komponente allerdings und gab die jetzt fertige Untersuchung in Auftrag.

Der deutsche Vertreter der Bank hatte damals gegen das Projekt gestimmt. „Wir begrüßen es, dass unsere Bedenken nun von der Untersuchungskommission bestätigt werden“, sagte ein Sprecher des zuständigen Entwicklungshilfeministeriums.

Besuche vor Ort, so die Autoren, hätten gezeigt, dass in der Umsiedlungsregion ein „Klima der Angst“ herrsche, Befragte trauten sich nicht, Kritik an dem Projekt zu äußern. Es seien keine Alternativen zu dem Projekt geprüft worden. Bei der geplanten Umwandlung des wüstenähnlichen Gebietes in eine Agrarzone fehle eine Prüfung auf Nachhaltigkeit. Unzulässigerweise sei das Projekt in eine Kategorie eingegliedert worden, nach der keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt würde. Als Grund für die im Bericht ebenfalls kritisierte Nachsichtigkeit gegenüber China gilt, dass das Land einer der wichtigsten Kunden der Bank ist.

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) fordern nun, dass sich die Bank aus dem Projekt zurückzieht. „Auch Nachbesserungen werden an der Substanz des Projektes nichts verändern“, sagte Heffa Schücking vom Verein Urgewald. „Die Bank muss sich fragen, ob ihr ihre Richtlinien angesichts dieser eklatanten Verstöße überhaupt etwas wert sind.“ MAIKE RADEMAKER