DIALOG MIT PEKING MUSS MENSCHENRECHTSFRAGE UMFASSEN
: Deutsch-chinesische Plaudereien

„Die Beziehungen zu Deutschland sind im Großen und Ganzen sehr gut“, heißt es aus Peking. Und aus dem Kanzleramt verlautet zu China: „Es gibt keine grundlegenden Probleme.“ War da nicht noch was? Sind Menschenrechtsverletzungen keine grundlegenden Probleme?

Es ist offensichtlich: Vor den heutigen Gesprächen des Kanzlers mit Chinas Premier Zhu Rongji und von Außenminister Fischer mit seinem Amtskollegen Tang Jiaxuan versuchen beide Seiten die Differenzen herunterzuspielen und sich auf die Wirtschaft zu konzentrieren. Noch vor drei Wochen bestellte Chinas Regierung den deutschen Botschafter ein, weil der Bundestag kritisch über Menschenrechtsverletzungen in China diskutierte. Die Volksvertreter kamen zu dem Ergebnis, dass sich die Lage der Menschenrechte in China „nicht in der erhofften Weise positiv entwickelt“ habe. Kritisiert wurden die Verfolgung Andersdenkender, die Unterdrückung der Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit, Folter, Administrativhaft und die hohe Zahl von Hinrichtungen. Der jetzt von der Regierung vorgelegte Bericht kommt zu einem ähnlichen Ergebnis.

Der Bundestag forderte die Regierung auf, „beim Dialog mit China auf allen politischen Ebenen stets auch die Situation der Menschenrechte anzusprechen“. Vertreter der Bundesregierung verweisen dabei jetzt seit neuestem auf den Rechtsstaatsdialog mit Peking. Dazu war Justizministerin Däubler-Gmelin eigens nach China gereist. Ein Dialog ist sicher zu begrüßen, doch ist er kein Selbstzweck. Er kann nur erfolgreich sein, wenn der diplomatische Druck und die gleichzeitigen positiven Anreize nicht nachlassen. Und der Dialog bedarf klarer Kriterien und Transparenz. Wenn das Bundesjustizministerium auf Anfrage nicht bereit ist, über diesen Dialog substanzielles Material herauszugeben, drängt sich der Eindruck auf, dass es sich hier um eine Alibiveranstaltung handelt. Die für heute geplante Absegnung des bisherigen Dialogs durch die beiden Regierungschefs in einer gemeinsamen Erklärung räumt den Verdacht jedenfalls nicht aus. SVEN HANSEN