Sieg für Abtreibungsverfechter

Oberstes US-Gericht kassiert Abtreibungsgesetz von Nebraska als verfassungswidrig. Das Thema Schwangerschaftsabbruch dürfte jetzt den Wahlkampf mit prägen

BERLIN taz ■ In zwei Verfahren hat das Oberste Gericht der USA im Sinne von Abtreibungsbefürwortern und gegen die Fraktion der „Pro Life“-Aktivisten entschieden. Es hob ein Gesetz des Bundesstaates Nebraska als verfassungswidrig auf, das eine bestimmte Abtreibungsmethode für illegal erklärt, und bestätigte eine Bannmeilenverordnung für „Pro Life“-Demonstrationen vor Abtreibungskliniken.

Das Gesetz des Staates Nebraska aus dem Jahr 1997 soll eine bestimmte – in Deutschland nicht praktizierte – Methode der Abtreibung bei späten Schwangerschaftsabbrüchen nach der 16. Schwangerschaftswoche verbieten. Üblicherweise wird bei dieser Methode der Geburtskanal geweitet, der Fötus dort hineingezogen, dann wird das Hirn des Fötus abgesaugt, der Kopf fällt in sich zusammen und kann austreten. Abtreibungsgegner nennen diese Methode „Partial Birth Abortion“, Teilgeburtsabtreibung, und verbreiten eklige Bilder von zerfetzten Föten. Im Gesetz aus Nebraska heißt es nun: Eine Methode sei verboten „in der eine die Abtreibung durchführende Person ein lebendes ungeborenes Kind teilweise in den Geburtskanal treibt, bevor das Kind getötet und komplett ausgetrieben wird.“ Diese Definition, befand das Gericht, sei nicht spezifisch genug und könne in Ausnahmefällen auch auf andere, gebräuchlichere Abtreibungsmethoden, wie etwa das Absaugen, Anwendung finden. Das stelle dann eine Verletzung des grundsätzlichen Rechts auf Abtreibung dar. Im übrigen hätten es die Gesetzgeber versäumt, eine Ausnahmeregelung für den Fall einer konkreten Gefährdung der Mutter vorzusehen.

Ähnliche Gesetze gelten in 29 weiteren Bundesstaaten der USA. Die meisten, so steht zu erwarten, sind durch den Richterspruch betroffen. An der Diskussion über die Methode entzündet sich in den USA die grundsätzliche Debatte über die Legalität von Spätabtreibungen unter bestimmten Voraussetzungen. Zweimal schon sind ähnliche Gesetzesentwürfe mit der republikanischen Mehrheit durchs Repräsentantenhaus gebracht worden, jedesmal hat Präsident Clinton sein Veto eingelegt.

Die Entscheidung im Obersten Gericht fiel denkbar knapp aus: Mit 5 zu 4 Richterstimmen wurde das Nebraska-Gesetz verworfen. In der nächsten Legislaturperiode werden mindestens drei Richter am Obersten Gericht neu ernannt. „Eine Stimme mehr auf der falschen Seite – und ein Frauenrecht ist verloren“, sagte der demokratische Präsidentschaftskandidat und Abtreibungsbefürworter Al Gore. Tatsächlich dürfte die Abtreibung, eines der klassischen hoch ideologisch besetzten Themen der US-Politik, nach den Urteilen im Wahlkampf eine Rolle spielen. BERND PICKERT