„Willkommen, kleiner Prinz“

Kubas Regierung begrüßt den Flüchtlingsjungen Elián González wieder zu Hause. Der Sechsjährige ist aus den USA zurück, und nach dem Ende des Dramas sind die Beziehungen zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten besser als zuvor

aus WashingtonPETER TAUTFEST

Der kubanische Flüchtlingsjunge Elián González ist wieder zu Hause. Zusammen mit seinem Vater und dem ganzen Tross aus Betreuern und Klassenkameraden, die die kubanische Regierung in den letzten Wochen zur Begleitung Eliáns in die USA geschickt hatte, flog er am Mittwochabend zurück nach Kuba. Dort erwarteten ihn keine Großdemonstrationen, nur einige hundert Schulkinder winkten am Flughafen. Das kommunistische Parteiorgan Granma freilich hat die Rückkehr Eliáns als „Ende des Martyriums“ gefeiert. Der Sechsjährige wird mit den Worten „Willkommen, kleiner Prinz“ begrüßt.

Kurz zuvor hatte der Oberste Gerichtshof der USA einen letzten Versuch der in Miami lebenden Verwandten Eliáns, seine Ausreise noch zu verhindern, abgelehnt. In Miami versammelten sich nach der Entscheidung Dutzende Exil-Kubaner. Sie warfen der Regierung Clinton „Verrat“ vor, weil sie Elián an den kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro ausgeliefert habe.

Ein Gutes hat das Drama um Elián vielleicht: Nach 40 Jahren beginnt das US-Embargo gegen Kuba zu bröckeln. Am Tag vor Eliáns Heimreise setzten republikanische Abgeordnete im Repräsentantenhaus durch, dass Kuba jetzt landwirtschaftliche Güter in den USA kaufen kann – die exilkubanische Lobby sah machtlos zu. Das Gesetz war von Abgeordneten aus Farmstaaten durchgesetzt worden, die auf den Export von Futtergetreide und Schweinen spekulieren.

Die Lockerung des Embargos ist nur symbolisch, denn sie erlaubt US-Banken nicht, Kredite an Kuba zu vergeben. Zudem kodifiziert das Gesetz etwas, was bisher nur eine Anordnung des Außenministeriums war: US-Amerikaner dürfen nicht nach Kuba reisen. Präsident Clinton nahm denn auch auf seiner Pressekonferenz zu der Gesetzesvorlage sehr halbherzig Stellung. Einerseits lehnt er die Reisebeschränkungen ab, weil er den Kontakt zwischen Menschen nicht abbrechen will, andererseits will er die Sanktionen eigentlich erst lockern, wenn Kuba selbst Anstrengungen macht, um auf die USA zuzugehen.

Mit der Rückkehr Elián González’ nach Kuba geht zu Ende, was man im englischen Sprachgebrauch eine „Saga“ nennt: eine große, weltbewegende Historie mit dramatischem Auf und Ab, eine zu Herzen gehende Geschichte, die gewaltige Mächte und kleine Menschen in einen Strudel reißt, eine Parabel auf das Leben selbst.

Eine gute Figur hat bei dem Ringen um Elián niemand gemacht, der Präsident nicht, der sich lange bedeckt hielt und seine Justizministerin hängen ließ; Castro nicht, der aus dem Streit durch Massendemonstration und Dauerberieselung für sein marodes Regime propagandistisches Kapital schlagen wollte; das Justizministerium nicht, das zögerlich handelte, um dann mit dem für Amerika schon typischen Overkill an staatlicher Gewalt Elián am 22. April aus dem Hause seines Großonkels zu holen; Eliáns Vater nicht, der geschlagene fünf Monate wartete, bevor er Kuba verließ, um seinen Sohn zu reklamieren; die beiden Präsidentschaftskandidaten nicht, deren einer, Al Gore, sich unsterblich damit blamierte, als er sich bei den Exilkubanern anzubiedern versuchte und im Widerspruch zu seiner Regierung forderte, dass ein Miamier Familienrichter die Sache entscheiden sollte; die Exilkubaner nicht, die jedes Maß verloren zu haben schienen; und schließlich die breite Öffentlichkeit nicht, deren 70-prozentige Mehrheit für die Rückkehr Eliáns sich zu einem gut Teil aus Immigrantenfeindlichkeit speiste.

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