„Ach, Widerstände“

Der Menschenrechtsbeauftragte des Auswärtigen Amtes, Gerd Poppe (Bündnis 90/Grüne), zur deutschen Chinapolitik und zu seinem Einfluss auf die Bundesregierung

taz: Herr Poppe, Sie sind jetzt gut eineinhalb Jahre im Amt. Sind Sie zufrieden?

Gerd Poppe: Man wünscht sich mehr Erfolgserlebnisse. Aber immerhin ist der Stellenwert der Menschenrechte als Bestandteil der Außenpolitik allgemein akzeptiert. Ich kann mich noch gut an die Zeiten erinnern, als man uns noch als Spinner und „Gutmenschen“ abgetan hat.

Beim ersten Chinabesuch von Gerhard Schröder haben Sie geklagt, dass Sie in die Vorbereitung nicht einbezogen waren. Heute ist das ganz anders?

Staatsbesuche werden vom Kanzleramt vorbereitet – ich habe keinen Anspruch, dabei zu sein. Aber ich habe eigene Möglichkeiten zum Dialog mit chinesischen Politikern.

Das heißt, Sie waren nicht einbezogen und kämpfen ständig um Einfluss?

Nein, das geht überwiegend im Einverständnis. Wir sprechen regelmäßig Menschenrechtsthemen an, auch gegenüber China. Das Auswärtige Amt war immer der Meinung, dass man in der Menschenrechtsfrage eine aktive Rolle spielen muss und nicht auf Selbstheilungskräfte des Marktes bauen darf.

Die Bundesjustizministerin hat gerade in China die Verwirklichung der sozialen Menschenrechte gelobt. Das klang schon wie eine Relativierung der Kritik. Waren Sie damit glücklich?

Ich bin dafür, dass man mit der chinesischen Seite Klartext redet und nicht vor lauter Höflichkeit nur lobt, was gut ist und Negatives zurückhaltend behandelt. Allerdings haben sich die Verhältnisse in China für einen Großteil der Bevölkerung in den letzten 15 Jahren tatsächlich deutlich verbessert. Es gibt mehr wirtschaftliche Freiheit, auch mehr Meinungsfreiheit – jedenfalls solange die Macht der KP nicht in Frage gestellt wird.

Aber ist es nicht so, dass die Menschenrechtsfragen auf den Rechtsstaatlichkeitsdialog abgeschoben sind und man ansonsten längst zur Tagesordnung übergegangen ist?

Nein. Das Auswärtige Amt und ich üben deutliche Kritik.

Und das reicht?

Natürlich haben wir gegenüber Großmächten mit Atomwaffen und ständigem Sitz im Sicherheitsrat weniger Durchsetzungsmöglichkeiten als gegenüber anderen. Dafür steht auch Tschetschenien. Es ist nicht gelungen, genug Druck aufzubauen, um die russische Regierung von diesem Krieg abzubringen. Dabei hat Außenminister Fischer schärfere Reden gehalten als andere Außenminister, und die Deutschen galten in Moskau als die härtesten Kritiker des Tschetschenienkrieges.

Der neue Menschenrechtsbericht der Bundesregierung wiederholt die Absicht, Menschenrechtspolitik in alle Bereiche einfließen zu lassen.

Der Bericht ist deutlich erweitert und verbessert worden. Vor allem behandelt er nicht mehr nur Menschenrechtsfragen in den auswärtigen Beziehungen, sondern auch innerdeutsche Probleme, etwa die Asylproblematik.

Es heißt, da habe es Widerstände im Innenministerium gegeben, und deshalb sei der Bericht erst ein Dreivierteljahr später erschienen als geplant.

Ach, Widerstände. Die Ressortabstimmung hat auf Grund der Komplexität des Themas ein bisschen lang gedauert.

INTERVIEW: BERND PICKERT