Schildkröte aus Blumenerde

„Junge Visionen“: Im Internationalen Workshop zur Agenda 21 wagen Jugendliche „Schritte in ein neues Jahrtausend“  ■ Von Berit Langeneck

Jorge Hidalgo ist Aktionskünstler, doch momentan ist er zur Untätigkeit verdammt. Umringt von etwa 20 Jugendlichen sitzt er in seinem grünen Zelt auf einem Haufen Blumenerde und hofft, dass es aufhört zu regnen. Und die Gruppe damit fortfahren kann, die nasse Erde des Parks am Kaiser-Friedrich-Ufer kreisförmig abzutragen. „In die Mitte des Kreises stellen wir eine Skulptur aus Sperrmüll, wahrscheinlich in Form einer Frau“, nutzt der kolumbianische Künstler die erzwunge Wartezeit für Erklärungen. „Und davor gestalten wir aus Blumenerde möglicherweise eine Schildkröte.“ Aber das, sagt Hidalgo, „müssen wir noch gemeinsam entscheiden“.

Die Arbeitsgruppe „Umwelt“ ist eines der sieben Projekte von „Junge Visionen – Schritte in ein neues Jahrtausend“. Zwei Wochen bietet der Internationale Workshop zur Agenda 21 rund 80 SchülerInnen aus Hamburg und den acht Partnerstädten (Chicago, Dresden, León, Marseilles, Osaka, Prag, Shanghai, St. Petersburg) ein Fo-rum, ihre Ideen und Wünsche für die Zukunft gemeinsam mit internationalen Künstlern umsetzen. Veran-stalter ist das „Werkstatt 3-Bildungswerk“, unterstützt wird „Junge Visionen“ von der Hamburger Schulbehörde und der Senatskanzlei.

Am vergangenen Sonntag, bei der Eröffnungsfeier im Jugendgäs-tehaus an der Horner Rennbahn, stellten sich die 16- bis 20-Jährigen vor – mit Koffern, die sie mit Gegenständen und Texten aus ihrer Heimatstadt gefüllt hatten. Am Mittwoch nun begannen die Gruppen mit ihrer Arbeit. „Unser Projekt soll eine Hommage an Mutter Erde werden“, erläutert Jorge Hidalgo das Vorhaben der „Umwelt“-Gruppe – in seinem Kulturkreis werde Mutter Erde durch die Schildkröte symbolisiert. „Und durch den Sperrmüll wollen wir Kritik an der Konsumgesellschaft üben und den Menschen in Bezug zu seiner Umwelt setzen.“

Während das Häuflein im Zelt auf besseres Wetter wartet, nähern sich rhythmischen Trommelklänge: Die Arbeitsgruppe „Zukunftsmusik“ kommt zu Besuch. Um „gute Laune zu bringen“, sagt die 18-jährige Hanka aus Prag. „Vielleicht können wir sie durch unsere Musik motivieren und inspirieren.“ Zudem arbeiten die jungen MusikantInnen zusammen mit dem rumänischen Musiker Tavi Iepan und der Hamburger Percussionistin Ulrike Herzog an einem Lied für das 21. Jahrhundert, das sie in verschiedene Sprachen übersetzen und auf CD brennen wollen. „Wie es sich anhören wird, wissen wir noch nicht. Aber eine Idee davon ist schon in unseren Köpfen“, verrät der 16-jährige Dimitri aus St. Pe-tersburg.

Die anderen Arbeitsgruppen beschäftigen sich mit Frieden und Gerechtigkeit, ein Dokumentationsteam hält die Projekte fest, und die Internetgruppe wird eine Homepage erstellen, über die die TeilnehmerInnen auch in Zukunft Kontakt halten können.

Am Donnerstag werden die Ergebnisse am Kaiser-Friedrich-Ufer auf einem „Zukunftspfad“ zusammen gefügt – ein halbes Jahr sollen die Objekte dort stehen. Vielleicht sprosst bis dahin Gras auf der geformten Erde von Jorge Hidalgos Team. Denn wie die Skulptur später aussehen wird, wollen die VisionärInnen der Natur überlassen.