Ein Ort immerwährender Glückseligkeit

■ Space Park: Gestern war erster Spatenstich auf dem ehemaligen AG-Weser-Gelände / Ende 2002 soll die Rakete starten

Elf Uhr. Der erste Spatenstich. Zukunftsprojekt. Wichtig. Jetzt bloß nicht zu spät kommen. Der blaue Bauzaun an der Ludwig-Plate-Straße. „Ein Blick in die Zukunft“ steht unter den voll planetenmäßigen Löchern, die alle paar Meter ein neues Stück Steppe zeigen. Vier Krähen stochern lustlos im Sand des früheren AG-Weser-Geländes. „Hier entsteht für Sie das erste integrierte Entertainment-Shopping-Center Deutschlands“, sagt der Zaun.

Schnell nach links abgebogen, Einladung vorgezeigt, und Schluß ist es mit der Kräheneinsamkeit: Zehn bullige Baustellen-Lastwagen parken im Halbrund. Schön gelb sind sie, so richtig optimistisch gelb, und in ihrer Mitte zeigt ein Bagger seine schöne Schaufel. Die ist nämlich frisch gestrichen – grau – und bildet den Hintergrund für die Hauptdarsteller des Tages: die drei Spaten.

Doch halt! Wozu das ganze Theater? Die Banner auf dem mächtigen Bug der Lastwagen – wie der Bauzaun weltraumblau – verkünden es in mannshohen Lettern: Der S-P-A-C-E-P-A-R-K kommt! Die Fahrer selbst stehen neben ihren Wagen stramm, den Helm in der Hand. Zur Feier des Tages hat man sie in blütenweiße Overalls gesteckt.

Mit wahrhaft galaktischem PR-Aufwand feierten die Sympathisanten der Großprojekts gestern den Beginn der Erdarbeiten. Wir wollen an dieser Stelle nicht noch einmal berichten, was bis zum Herbst 2002 auf der 26-Hektar-Brache geschehen soll. Sollen die Spatenstecher doch selbst sagen, was sie sich von ihrem 980-Millionen-Ding erhoffen!

Es treten auf: Martin Jochem, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Immobilienfonds mbH (Frankfurt/Main), Josef Hattig, Senator für Wirtschaft und Häfen (Bremen) und Dipl.-Ing. Jürg E. Köllmann, Vorstandsvorsitzender der Köllmann AG (Wiesbaden). Jochems Hoffnung: Ein langfristiges und erfolgreiches Investment. Hattigs Hoffnung: Mehr Städtereisende. Köllmanns Hoffnung: Ein Ort immerwährender Glückseligkeit. Gerade Kölmann schreckt vor großen Visionen am wenigsten zurück: „Was wäre Wien ohne Prater, was wäre Paris ohne den Eifelturm!“, sagt er, auf Bremen und den Space Park gemünzt, und verspricht Weltklasse-Entertainment dort, wo früher Nieten gekloppt wurden. Zur Erinnerung: Geplant sind unter anderem 44.000 Quadratmeter Verkaufsfläche, 20.000 Quadratmeter „thematisiertes Weltraumerlebnis“, ein Multiplex und allerlei neudeutsche Vergnügungsstätten: ein Food Court, Raum für Multi-Events und ein Wellness-Bereich.

Der Spatenstich. Hattig beackert den symbolischen Quadratmeter Boden zuerst, Jochem und Köllman ziehen nach. Wie zu erwarten, geraten Kamerateams und Fotografen augenblicklich in Ekstase. Dann: Musik (merkwürdig: die Kapelle spielt einen Blues), Händeschütteln, noch ein paar Mal schüppen, freundlich lächeln und Schluß. Dazu Rufe: Tiefer! Nochmal!

Ihre gravierten Hochglanzgeräte dürfen die Spatenmänner behalten, heißt es. Bürgermeister Hennig Scherf indes hatte Pech: Er bekam kein Andenken, weil er gar nicht da war. Lieber alte Bücher nach Danzig tragen, als an der Zukunft arbeiten! Schlimm! Die zahlreichen Zeugen des gestrigen Ereignisses – wir wollen und können sie nicht alle aufzählen – durften dagegen schöne weiße Bauarbeiter-Helme mit nach Hause nehmen.

Als die die Lastwagen ihre Motoren starten und die Riesen-Buchstaben über die Brache zu schleppen beginnen, verlagert sich die Gute-Laune-Veranstaltung in das nahe Lichthaus. Auf dem Weg dahin: lautstarker Protest von Mitgliedern der PDS und anderen Bürgern, die im Space Park ein „Millionengrab“ sehen. Ernst Busche, eine 68jähriger ehemaliger Planer, fürchtet, dass durch das riesige Einkaufszentrum die Gröpelinger Läden „kaputtgemacht“ werden. Und: Das Weltraum-Angebot, wie immer es auch aussehen mag, findet er vollkommen uninteressant. Also: Ordentlich trillern.

Drinnen überschlägt sich „Event-Moderator“ Wolfgang Wilke (Köllmann AG) vor Vorfreude. „Space Park ist alles, was Spaß macht“, verkündet er und führt die Gäste durch eine Videoshow, die vor Computeranimationen strotzt, aber außer bunten Bildern wenig vom Space-Angebot zeigt. Wie auch: Aus Gründen der „Top-Aktualität“ werde daran noch bis zur Eröffnung gefeilt. In Hollywood!

Pessimismus steht nicht auf dem Programm, und auch Senator Hattig hat keine Lust, „hier über Beihilfen zu diskutieren“. Sie ahnen schon, worum es geht: die leidige Frage, ob Brüssel die Bremer 77,5 Millionen Bremer Subventionen erlaubt. Doch das hätte nur den Appetit verdorben. Genauer: Antipasti, Poulardenbrust mit frischem Gemüse und Tomaten, Panna Cotta mit Erdbeersauce.

So um die 40 Mark soll es kosten, den Space Park zu besuchen. Und: Die Autofahrer werden es gut haben. Ein Tip zum Schluß: Wer sich ein Bild machen möchte, was ihn in Bremen erwartet, sollte einmal in Oberhausens „Neue Mitte“ fahren. Die Mall, die dort auf dem Gelände einer Stahlhütte gebaut wurde, hat das Architekturbüro geplant, dass auch in Gröpelingen aktiv ist. Inclusive der berüchtigten Coca-Cola-Oase. Milko Haase