Der Menschenfreund

Wladyslaw Bartoszewski ist Polens neuer Außenminister. Der große Versöhner ist ein leidenschaftlicher Kämpfer für die Freiheit des Wortes

„Ich schließe nur aus, dass ich Bischof werde“, ulkte Wladyslaw Bartoszewski, humorvoll und schlagfertig wie immer, vor seiner Nominierung zum neuen Außenminister Polens. Wenig später setzte er hinzu: „Es ist schön, in diesem Alter noch gebraucht zu werden.“ Der Historiker, Journalist und Diplomat ist 78 Jahre alt. Im Ruhestand allerdings war er noch nie.

Bis gestern leitete er den Ausschuss für Auswärtige Beziehungen und Europäische Integration im polnischen Senat. Doch nicht nur diese Arbeit qualifizierte den parteilosen Politiker für den Posten des Chefdiplomaten im größten Reformstaat Mitteleuropas. Bartoszewski war schon einmal Außenminister Polens: 1995 hatte ihn Lech Walesa ernannt. Als dieser die Präsidentschaftswahlen im Winter desselben Jahres verlor, trat Bartoszewski zurück. Und Erfahrungen als Diplomat sammelte er bereits 1990, als er nach der Wende in Polen zum ersten nichtkommunistischen Botschafter ernannt wurde, mit Amtssitz in Wien.

Bartoszewski, dessen Schlagfertigkeit und Redefluss – im Deutschen übrigens so rasant wie im Polnischen – nicht wenigen Politikern und Journalisten die Sprache verschlägt, will die Politik seines Vorgängers Bronislaw Geremek fortsetzen. Dieser war Anfang Juli, nach dem Zerbrechen der Koalition aus konservativer Wahlaktion Solidarność (AWS) und liberaler Freiheitsunion (UW), zusammen mit vier Ministerkollegen aus der Regierung ausgeschieden. Zufrieden mit der Ernennung seines Nachfolgers sagte er: „Mit Bartoszewski als Außenminister wird das Schiff Polen durch keinen Sturm bedroht werden.“

Bartoszewski ist als Vorreiter der deutsch-polnischen Versöhnung berühmt geworden. Dabei reißt ihn die Leidenschaft für die gute Sache auch schon mal zu einer wortgewaltigen Standpauke hin. Bartoszewski ist leidenschaftlicher Menschenfreund, Katholik und Politiker. Doch immer sieht er sich in der Rolle des Dienenden. 1986, in der Dankesrede für den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, sagte er: „Staaten, soziale Organisationen, politische Parteien sollen dem Menschen dienen, nicht er ihnen.“

Dieser Devise und seinem Lebensmotto, das er sogar zum Titel eines Buches erhoben hat, „Es lohnt sich, anständig zu sein“, ist Bartoszewski immer treu geblieben. Über acht Jahre seines Lebens hat Polens neuer Außenminister im Gefängnis gesessen – erst unter den Nazis als Mitglied der Intelligenz, später als Antikommunist im stalinistischen Polen und 1981 noch einmal als Angehöriger der Gewerkschaft Solidarność. GABRIELE LESSER