Peking wird Papiertiger

Chinas Regierung unterschreibt Vereinbarung über Rechtsstaatsdialog mit Berlin. Amnesty international reagiert skeptisch: Papier ist geduldig und ersetzt keine Menschenrechtspolitik

BERLIN taz ■ Die JustizministerInnen unterschrieben, und die Regierungschefs schauten zu: Unter den Augen von Chinas Premier Zhu Rongji und Bundeskanzler Gerhard Schröder wurde gestern eine Vereinbarung über einen Rechtsstaatsdialog unterzeichnet. Es sei das erste Mal, dass seine Regierung so etwas mache, kommentierte Zhu den Vorgang. Gleich danach wurden auch milliardenschwere Wirtschaftsverträge unterzeichnet.

Vereinbart wurde eine stärkere bilaterale Zusammenarbeit im Rechtsbereich. Beide Seiten wollen „gewährleisten, dass das Volk umfangreiche Rechte und Freiheiten nach dem Gesetz genießt, dass die Menschenrechte respektiert und garantiert werden und alles staatliche Handeln gesetzmäßig durchgeführt“ wird. Doch gleichzeitig wies gestern das chinesische Außenministerium die am Mittwoch im Menschenrechtsbericht der Bundesregierung geäußerte Kritik als „Einmischung in innere Angelegenheiten“ zurück.

Im Mittelpunkt des Rechtsstaatsdialogs stehen so auch nicht etwa Menschenrechte, sondern Verwaltungs-, Zivil-, Handels-, Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht. Auch politische Rechte werden nicht erwähnt. Allerdings sei eine Ausweitung auf andere Felder möglich. „Ausgehend von unserem sozialistischen Gesellschafts- und Rechtssystem ist China bereit, von den deutschen Erfahrungen zu lernen“, sagte Zhu. Deutsche und Chinesen zeichneten sich dadurch aus, dass sie Wort hielten, so der Premier. Sollte er sein Wort nicht halten, werde er zurücktreten.

Schröder nahm das M-Wort nicht in den Mund, sondern sagte, es würden auch Dinge angesprochen, „bei denen wir nicht so eng beieinander liegen“. Die Menschenrechtsorganisation amnesty international reagierte gestern skeptisch. China-Referent Dirk Pleiter sagte zur taz, die Vereinbarung gehe kaum über den bisherigen Dialog hinaus. „Der Text ist vage. Die Frage ist, wie das Abkommen konkretisiert wird“, so Pleiter. Dialog und Kooperation seien kein Ersatz für eine Menschenrechtspolitik. In China habe die Reform der Justiz bisher zu mehr Rechtssicherheit, aber nicht zu mehr Rechsstaatlichkeit geführt. „Im Zweifelsfall steht die Kommunistiche Partei weiterhin über dem Gesetz“, so Pleiter. China habe zwar das Delikt „konterrevolutionäre Aktivitäten“ abgeschafft, dafür würden jetzt Dissidenten wegen „Verstößen gegen die nationale Sicherheit“ verfolgt.

In Berlin demonstrierten gestern 50 Menschen vor der chinesischen Botschaft, um vor allem auf Menschenrechtsverletzungen in Tibet und Xinjiang hinzuweisen. Aus Protest wollen heute die Hamburger Grünen einem Senatsessen mit Zhu fernbleiben. HAN

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