PROTEST DER PROTESTANTEN: MAL WIEDER PARADE IN NORDIRLAND
: Der Seufzer des Dinosauriers
Nordirlands Oranierorden hat sich mal wieder in Drumcree versammelt. Es ist das dritte Jahr in Folge, in dem man ihnen verboten hat, durch die katholische Garvaghy Road zu marschieren, und auch diesmal werden sie mindestens eine Woche lang mit viel Lärm, aber letztendlich vergeblich, ihr vermeintliches Recht auf die Parade einfordern.
Also im Norden nichts Neues? Doch. Die Zusammensetzung der protestierenden Protestanten in Drumcree hat sich im Laufe der Jahre verändert. Früher, bevor der Friedensprozess begann, war ihre Welt noch in Ordnung, das Feindbild klar strukturiert. Doch seit Unionistenchef David Trimble, selbst ein Mitglied des Oranierordens, eingewilligt hat, die IRA-Partei Sinn Féin an der Macht zu beteiligen, ist das Lager der Protestanten tief gespalten.
Die Oranierparade in Drumcree ist immer mehr zum Sammelpunkt der Gegner des Friedensprozesses geworden. Der Orden, der sich vor allem durch seinen extremen Antikatholizismus definiert, war noch nie der harmlose religiöse und kulturelle Verein, als den ihn seine Großmeister gern ausgeben. Doch in den vergangenen Jahren ist seine Ausrichtung immer rassistischer geworden, weil man mit dem Rücken zur Wand steht: Die katholische Bevölkerungsminderheit hat nun ein Mitspracherecht in einer Provinz, die viele Protestanten immer noch als ihr alleiniges Eigentum erachten.
Die Parade in Drumcree, vielleicht der letzte Seufzer eines Dinosauriers, zieht deshalb englische Faschisten und protestantische Militaristen an. Politiker wie Trimble und seine Anhänger lassen sich schon lange nicht mehr dort sehen, sie wären auch nicht mehr willkommen. Dabei hatte Trimbles Aufstieg ausgerechnet in Drumcree begonnen, als er 1995 auf den Barrikaden stand und die zunächst verbotene Parade doch noch durchsetzte. Prompt wurde er im folgenden Herbst auf dem Parteitag dank der Blockstimmen des Oranierordens zum Parteichef gewählt.
Nun ist David Trimble zur größten Bedrohung des Oranierordens geworden. Er will den Unionismus modernisieren und aus seiner Isolation herausführen. Bei diesem ehrgeizigen Projekt ist kein Platz für die Oranier. Trimble will die engen Verbindungen seiner Partei zum Oranierorden kappen und ihr Blockstimmrecht auf den Parteitagen abschaffen. Nicht zuletzt in Drumcree wird sich entscheiden, ob ihm das gelingen wird oder ob einer der Hardliner in seiner Partei die Parade in Drumcree als Sprungbrett an die Parteispitze nutzen kann, so wie Trimble es damals getan hat.
RALF SOTSCHECK
