die stimme der kritik
: Betr.: Gen-Sharing

Fast alles Banane

Den Schock, den Charles Darwin seinen Zeitgenossen verpasste, als er den Affen als nächsten Verwandten des Menschen etablierte, haben wir mittlerweile weitgehend verkraftet. Abgesehen von einigen durchgeknallten Kreationisten, nach deren Lehre das Leben auf der Erde erst vor wenigen tausend Jahren von Gott persönlich installiert wurde. Inzwischen akzeptieren wir, mit dem Schimpansen zu 98 Prozent identisch zu sein. Vielleicht sogar noch etwas mehr, denn seit dem 26. Juni 2000 liegt der genetische Bauplan des Menschen auf dem Tisch – noch lückenhaft und erst in Teilen dechiffriert, aber in einigen Jahren werden wir ganz genau wissen, wie viel Affe in uns steckt und wie der kleine, entscheidende Unterschied zustande kommt. Bis dahin reicht aber der kleine Schock, den, zumindest bei mir, der Chefwissenschaftler des britischen Genomprojekts Robert May mit seiner jüngsten Aussage anrichtete: „Wir teilen die Hälfte unserer Gene mit der Banane.“ Oberschlaue wussten das vielleicht längst, und abstrakt ist ja auch halbwegs klar, dass alles Leben aus einer vor Milliarden Jahren angeköchelten Ursuppe stammt und insofern, weil aus einem Topf, irgendwie verwandt sein muss. Aber so ganz konkret, zu 50 Prozent Banane – das ist schon ein Hammer, von den ontologischen und transzendental-philosophischen Folgeproblemen mal ganz abgesehen.

„Sag zu Chiquita nie Banane“ – die Werbetexter, die diese Parole erfanden, wussten gar nicht, wie Recht sie hatten. Eine Banane ist tatsächlich ein halber Mensch – womit mir meine Lieblingsantwort auf die Frage, warum ich Vegetarier bin („Nicht weil ich Tiere liebe, sondern weil ich Pflanzen hasse“), künftig halb im Halse stecken bleibt: Zerdrücken wir fürs Müsli quasi Untermenschen?

Verzeihlich wäre das insofern, als es sich bei uns eben schlicht um Halbbananen handelt, was nebenbei auch noch diverse unerklärliche Phänomene der letzten Tage erklären kann: die elfmeterscheuen Oranjes zum Beispiel, die sich von Italien einfach zerquetschen ließen, oder den unbestechlichen Kampfhund Kohl, der sich in sein Ehrenwort verbeißt wie ein Pitbull. Typisch Bananenrepublik. Wobei für Kohl offenbar auch genmäßig vermutlich noch die alte Wahlkampfarithmetik zutrifft: 50 Prozent plus x.

MATHIAS BRÖCKERS