wahl in mexiko
: Demokratische Aussichten

„Mexiko ohne PRI“, so schrieb einmal ein Mexiko-Experte, das sei wie „der Vatikan ohne den Papst“. Nun aber wird die Republik erstmals seit über siebzig Jahren ohne Papa PRI auskommen müssen. Ein buchstäbliches Staatsbegräbnis wurde am Sonntagabend eingeläutet. Wie weit die Kinder und Kindeskinder des Familienclans nach dem Ende des Gottvaters auf eigenen Füßen stehen können, bleibt abzuwarten. Einiges deutet darauf hin, dass sie sich am Sonntag einen Ersatzpapa erwählt haben. Denn auch der Wahlsieger Vicente Fox trägt zweifellos Züge eines Caudillos, der sich anstelle „revolutionärer Errungenschaften“ nun ersatzweise „moralische Werte“ auf sein Banner geschrieben hat. Ein selbst ernannter Erlöser aber kann das Land nicht vom Grundübel des Autoritarismus erlösen.

Kommentarvon ANNE HUFFSCHMID

Gewiss: Fox ist nicht der Mandela Mexikos, als der er sich selber gerne sehen möchte. Aber eben auch nicht der mexikanische Haider oder Fujimori, den Gegner und Skeptiker zuweilen in ihm vermuten. Den pragmatischen Wirtschaftsliberalen des rechtsextremen Fundamentalismus zu verdächtigen, wie Teile der Linken es getan haben, ist falsch. Als „neoliberale Standardpartei“ ist seine Partei der Nationalen Aktion treffender bezeichnet. Und mit der „sozialen Marktwirtschaft“, wie sie Fox propagiert, hatten sich auch Linke und Sozialdemokraten Mexikos längst arrangiert. So ging es an diesem Wahlsonntag gar nicht um Wirtschaftspolitik, sondern zunächst um die Spielregeln, um so etwas wie die Einführung einer streitbaren Demokratie.

Ob diese mit Fox möglich wird, dürfte von dreierlei abhängen. Erstens davon, ob er sein Wahlversprechen auf Pluralität, Toleranz und Vielfältigkeit wahr macht – oder nun reaktionären Ressentiments freien Lauf lässt. Zweitens, ob er darauf verzichten kann, sich zum Erlöser oder Volksbefreier zu stilisieren. Und drittens, ob er die Weitsicht aufbringt, gegen den zu erwartenden Widerstand des Apparats unorthodoxe, strategische Bündnisse einzugehen. Die Chancen dazu stehen nicht schlecht. Schließlich ist die Hauptstadt weiterhin Bastion der real regierenden Linken, auch Kongress und Senat sind – rein rechnerisch – fest in oppositioneller Hand. Voraussetzung für den Wandel aber wäre wiederum die Anerkennung einer ganz anderen Tatsache: dass es vor allem der zähe Widerstand der Linken war – einschließlich des zapatistischen „Ya Basta“ –, die das foxistische „Ya“ erst möglich machte. Papa ist tot. Es leben die Kinder.