Im Klub der letzten acht

Wimbledon-Viertelfinalist Alexander Popp, im deutschen Tennis einst aussortiert, avancierte wegen seiner britischen Mutter und seines poppigen Namens schnell zum Liebling der Engländer

aus WimbledonCLEMENS MARTIN

In zehn Tagen vom Nobody zum potenziellen Helden – so schnell kann das in Großbritannien gehen, wenn es sich um Tennis handelt. Vollbracht hat dieses Kunststück beim Grand-Slam-Turnier von Wimbledon allerdings kein Brite, sondern ein Deutscher.

Vor seinem heutigen Viertelfinale gegen den Australier Patrick Rafter hat sich Alexander Popp immer mehr in die Herzen der Briten gespielt – wobei seine Mutter allerdings unfreiwillig eine wesentliche Rolle gespielt hat. Weil Jennifer Popp aus der mittelenglischen Stadt Wolverhampton kommt, besitzt der 23-jährige Mannheimer auch einen britischen Pass. Da ist es für die Briten fast nebensächlich, dass Alexander Popp in Deutschland geboren wurde und auch dort lebt. Hauptsache, er kann für Großbritannien im Davis-Cup starten und der von sportlichen Erfolgen zuletzt nicht verwöhnten Nation wieder zu Ruhm verhelfen. Alexander Popp hält sich jedoch zurück. „Ich bin weder vom DTB noch vom englischen Tennisverband bisher dazu gefragt worden“, sagte der Zwei-Meter-Hüne, der als 15-Jähriger aus dem Tenniszentrum Leimen geschmissen wurde, weil er für nicht gut genug befunden worden war. „Ich will mich nicht festlegen. Zuerst will ich unter die ersten hundert der Weltrangliste kommen“, erklärte Popp. Mit seinen Erfolgen über den Haitianer Ronald Agenor in der ersten Runde und danach über den ehemaligen French-Open-Sieger Michael Chang (USA), den an Nummer vier gesetzten Brasilianer Gustavo Kuerten und den Schweizer Marc Rosset sollte er das locker geschafft haben.

Der Spieler, den vor Turnierbeginn nur die wenigsten gekannt hatten, ist nun auch wegen seines Namens für die britische Presse zum gefundenen Fressen geworden. „Top of the Popps“ wird der Mannheimer in Anlehnung an die britische Hitparade genannt, dazu kommen „Popp-Music“ und „Poppeye“. In der ersten Turnierwoche erteilte ihm die angesehene konservative Tageszeitung Daily Telegraph sogar ein besonderes Kompliment: „Er spricht Englisch wie Prinz Charles.“ Das veranlasste einen englischen Journalisten, Popp zu fragen, ob er Deutsch auch akzentfrei spreche.

Über all dem Theater wegen seiner Doppelbürgerschaft gehen seine vorhandenen (und noch fehlenden) sportlichen Fähigkeiten ein wenig unter. Die zeigten sich am Montag in seinem Spiel gegen Rosset auf Platz 13 (über dem sinnigerweise der Union Jack wehte). Im ersten Satz pfefferte er dem Schweizer die Bälle um die Ohren, ehe Rosset zu überlegen begann und sein Spiel mehr variierte. Da merkte man Popp noch mangelnde Erfahrung an, die mit zum Verlust von zwei Sätzen führte. Aufschlag, Return und Grundschläge sind seine Stärken, was fehlt, ist Konstanz. Wenn jedoch des Gegners Bälle zu kurz kommen, gewollt wie von Rosset oder ungewollt, zögert der Mannheimer, ans Netz zu gehen – vielleicht auch, weil er weiß, dass er besonders den Volleystopp noch zu wenig beherrscht.

Doch unter der Leitung seines Mannheimer Trainers Helmut Lüethy, der vor allem Spieler unter seine Fittiche nimmt, die es in Leimen nicht schaffen, kann er weiterkommen. Immerhin erreichte Alexander Popp mit seinem Vordringen ins Viertelfinale von Wimbledon, das ihm schon jetzt ein Preisgeld von 100.000 Dollar eingebracht hat, was von den deutschen Spielern zuvor nur Boris Becker, Nicolas Kiefer, Patrik Kühnen und Michael Stich gelungen war: Er hat auf den Anlagen des All England Club Wimbledon Zutritt zum „Last Eight Club“. Dort dürfen zu kostenlosem Kaffee und Kuchen (auf Lebenszeit) nur die rein, die beim berühmtesten Rasenturnier der Welt unter die letzten acht gekommen waren.

Wimbledon, Viertelfinale, Frauen: Serena Williams (USA) - Lisa Raymond (USA) 6:2, 6:0; Venus Williams (USA) - Martina Hingis (Schweiz) 6:3, 4:6, 6:4; Jelena Dokic (Australien) - Magui Serna (Spanien) 6:3, 6:2; Achtelfinale: Lindsay Davenport (USA) - Jennifer Capriati (USA) 6:3, 6:3; Monica Seles (USA) - Arantxa Sanchez-Vicario (Spanien) 6:3, 6:4Achtelfinale, Männer: Alexander Popp (Mannheim) - Marc Rosset (Schweiz) 6:1, 6:4, 3:6, 4:6, 6:1; Andre Agassi (USA) - David Prinosil (München) 6:4, 6:3, 6:3; Jan-Michael Gambill (USA) - Thomas Enqvist (Schweden) 7:6 (7:5), 3:6, 6:3, 6:4; Mark Philippoussis (Australien) - Tim Henman (Großbritannien) 6:1, 5:7, 6:7 (9:11), 6:3, 6:4