Working Tom

Niemand arbeitet so hart daran, cool zu sein, wie Tom Cruise. In „M: I – 2“ lässt er sich von John Woo als Held feiern. Herausgekommen ist zumindest der am besten getimte Actionfilm aller Zeiten

von KATJA NICODEMUS

Bereits die erste Einstellung ist eine echte Setzung: Wenn Tom Cruise im eng anliegenden schwarzen T-Shirt irgendwo in der Wüste von Arizona mutterseelenallein an einem Berg klebt, beim Free-Climbing über dem gähnenden Abgrund schwebt und sich dann mit angespannten Muskeln an einem winzigen Felsvorsprung elegant in Sicherheit schwingt – dann hat er schon ganz souverän seinen „Geschmeidigkeitsnachweis“ (Gerd Rugenbauer) erbracht. Der in jeder Hinsicht durchgestylte Held von „M: I – 2“ ist in seiner strahlend narzisstischen Körperlichkeit inthronisiert.

John Woo kann Helden feiern. Als der Regisseur Mitte der Achtzigerjahre in Hongkong die Blütenträume des chinesischen Melodrams mit dem Waffenfetischismus des Hongkong-Thrillers kreuzte, wurde auch ein uralter Kriegertypus wieder geboren. Die Art, wie Woo seine Darsteller-Ikone Chow Yun Fat in „The Killer“ oder „Bullet in the head“ filmte, hatte mehr mit Homers Lobgesängen auf Hektors strahlende Rüstung als mit irgend einem zeitgenössischen Action-Krempel zu tun.

Für „M: I – 2“ hat sich Produzent und Hauptdarsteller Tom Cruise also den Regisseur für den eigenen Heldengesang gesucht. Tatsächlich sieht sein Superagent Ethan Hunt verwegener aus als je zuvor. Der militärische Kurzhaarschnitt des ersten Teils ist zur dezent-freakigen Mähne geworden, der Teint leuchtet in jungenhaftem Rosa, und sogar ein viriler Bartschatten ist erkennbar. Trotzdem bleibt Tom Cruise’ Ausstrahlung die eines wackeren Action-Beamten. Man sieht die Arbeit am eigenen Image, die Arbeit, die es kostet, die eigenen Action-Sequenzen selbst zu drehen, den Bizeps zu unaufdringlichen Beulen zu formen, den unendlichen Aufwand schließlich, den es bedeuten muss, eine Megaproduktion wie „M: I – 2“ als Instrument der eigenen Mediatisierung und Bond-gleichen Apotheose zu kontrollieren.

Working Tom – Cruise’ profane Wirkung mag auch daran liegen, dass er in diesem Film keinen eigentlichen Gefühlshaushalt hat. Seine Liebesgeschichte mit der rehäugigen, letztlich aufs Anhängsel reduzierten Juwelendiebin Nyah (Thandie Newton) scheint nur der Ökonomie des Genres geschuldet.

In John Woos früheren Arbeiten konnte Babyface Chow Yun Fat genau deshalb so überzeugend schneeweiße Tauben zum Zeitlupenflug aufscheuchen oder grimmig durch den Feuerkranz einer Explosion schreiten, weil das Pathos der Bilder seiner inneren Bewegung ( Liebe und Hass) entsprach beziehungsweise sie schlicht veräußerlichte – als todernster Action-Pop. Tom Cruise hinhegen ist eindeutig Pop-resistent, beziehungsweise John Woos eher halbherzige Versuche, an die pathetischen Codes von einst anzuknüpfen, werden vom pragmatischen Narzissmus seines Schauspieler-Bosses einfach neutralisiert. Jemand, der so mit der eigenen Coolness beschäftigt ist wie Cruise (was gar nicht mal unsympathisch und manchmal sogar rührend rüberkommt), läuft Gefahr, zwischen Taubengeflatter und Flammenringen ein bisschen lächerlich zu wirken.

Dafür experimentiert John Woo auf seine Weise weiter: Wahrscheinlich ist „Mission: Impossible 2“ der am besten getimte Actionfilm aller Zeiten. Gleich zu Beginn wird ein Flamencotanz zum lebendigen Chronometer eines Einbruchs, und im Grunde handelt der ganze Film davon, wer wie wann die Bewegung des Gegners oder Geliebten richtig oder falsch berechnet. Zwei Autos, die ineinander verkeilt auf den Abgrund zuschlittern, die leidenschaftlichen Blicke der Verliebten, die sich genau rechtzeitig vor dem Abgrund in einer Art rasendem Stillstand treffen – bei Woo bestimmen die raren Gefühlsmomente immer noch den Takt der Bewegung.

Ein verstörendes Leitmotiv aus Woos Hongkong-Zeiten hat sich in „M: I – 2“ fast ganz verloren: die exzessiv ausgespielte Hassliebe zwischen zwei letztlich seelenverwandten Gegnern. In den Hongkong-Thrillern führt sie zu Bruderbeziehungen zwischen Cop und Killer, in „Face Off“ sogar bis zum Identitäts- und Gesichtertausch von John Travolta und Nicholas Cage. Der Filmkritiker Wong Sum fand für Woos antagonistische Männerpaare das schöne Bild von den siamesischen Zwillingen der Sonnengöttin, die man nach der Geburt getrennt hat, und die sich nach einer Wiedervereinigung sehnen.

In „M: I – 2“ gibt es als Bösewicht nur eine blasse Trantüte mit einem menschheitsbedrohlichen Virus – kein Funke zwischen Held und Gegner. Nur einmal blitzt die alte Fusionsidee wieder auf: Die beiden Gegner rasen mit dem Motorrad aufeinander zu, fliegen nach dem Zusammenstoß von den Maschinen und umarmen sich für einen kurzen Augenblick in der Luft. Ansonsten hat die Sonnengöttin diesmal ein streberhaftes Einzelkind.

„Mission: Impossible 2“. Regie: John Woo. Mit Tom Cruise, Thandie Newton, Ving Rhames u. a. USA 2000, 122 Min.