Kurzer Prozess auf der Love Parade

Während der Love Parade müssen Straftäter erstmals bei einer Großveranstaltung mit einem Schnellverfahren rechnen. Für die Polizei ist das Prävention, für Rechtsanwälte werden so die Rechte der Angeklagten beschnitten

Festgenommene Straftäter erwartet bei der Love Parade am kommenden Wochenende ein kurzer Prozess. Erstmals will die Justiz bei einer Großveranstaltung so genannte beschleunigte Verfahren durchführen. „Die Strafe folgt auf dem Fuße“, sagte Ulrike Zwölfer, Polizeirätin im Bundesgrenzschutz (BGS), gestern bei der Vorstellung des Einsatzkonzeptes für die Love Parade. „Wir versprechen uns von der Neuerung eine erhebliche Präventionswirkung.“ Im vergangenen Jahr habe die Polizei während der Love Parade die „erhebliche Zahl“ von über 300 Straftaten festgestellt.

Vor allem Delikte wie Diebstahl, Körperverletzung oder gemeinschaftliche Sachbeschädigung sollen in einem Schnellverfahren verhandelt werden. Aber auch Schwarzfahrer können vor dem Schnellrichter landen, wenn sie zum wiederholten Mal ertappt werden oder der Wert der Fahrkahrte 100 Mark übersteigt. Taschendiebe müssen „wegen der damit verbundenen hohen kriminellen Energie“ grundsätzlich mit beschleunigten Verurteilungen rechnen. Im Bereitschaftsgericht am Tempelhofer Damm werden am Wochenende ein Staatsanwalt, zwei Amtsanwälte sowie zwei Amtsrichter bereit stehen. „Wir haben Open-End-Arbeitszeiten“, betonte Oberamtsanwalt Günter Fach.

Die Durchführung eines beschleunigten Verfahrens ist nach Paragraph 212 der Strafprozessordnung möglich, wenn „der Sachverhalt einfach und die sofortige Aburteilung möglich ist“. Die Straferwartung darf ein Jahr Haft nicht übersteigen. Zudem ist ein Schnellverfahren nur bei ausländischen Straftätern oder bei dem Verdacht der Fluchtgefahr zulässig. Jugendliche sind von einer schnellen Verurteilung ausgeschlossen.

Anders als in normalen Verfahren muss die Anklage im beschleunigten Verfahren nicht schriftlich vorliegen. Auch Zeugen müssen nicht persönlich vernommen werden. Auf eigenen Wunsch kann der Angeklagte einen Verteidiger hinzuziehen, bei einem erwarteten Strafmaß über sechs Monaten muss ein Pflichtverteidiger bestellt werden. Im Schnitt dauern solche Prozesse oft nicht länger als eine Viertelstunde. Rechtsanwälte kritisieren, dass durch die Schnellverfahren die Rechte des Beschuldigten auf eine kompetente Verteidigung ausgehöhlt werden.

Beschleunigte Verfahren sind in dieser Form seit der Strafrechtsreform 1994 zulässig. In Berlin ist ihre Zahl in den letzten Jahren stetig angestiegen. Im vergangenen Jahr wurden auf diese Weise 2.929 Urteile gefällt. Sollte sich die Methode im Rahmen der Love Parade bewähren, könnte sie zukünftig auch bei anderen Massenversammlungen eingesetzt werden. „Wir wollen mit dem erstmaligen Einsatz von Schnellverfahren bei einer Großveranstaltung Erfahrungswerte sammeln“, betonte Polizeirätin Zwölfer. Insgesamt sind bei der Love Parade 1.500 BGS-Beamte unter anderem aus Brandenburg, Sachsen, Hessen und Bayern im Einsatz. Auf eigens hergestellten Ansteckern für die Beamten ziert ein großes Herz das BGS-Wappen.

ANDREAS SPANNBAUER