Einkaufen zur Probe und ohne Risiko

Seit drei Jahren fordert die EU einen besseren Kundenschutz für den Onlinehandel. Mit dem „Fernabsatzgesetz“ hat jetzt endlich auch Deutschland die Richtlinie umgesetzt: Was nicht gefällt, darf kostenlos zurückgeschickt werden

von MICHAEL PETERSEN

Verbraucherverbände warnen noch immer vor unseriösen Internetgeschäften. Der Verbraucherschutz hinkt hinter dem Boom des E-Commerce hinterher. Allmählich aber werden die Gesetzeslücken geschlossen. Am 1. Juli ist das so genannte Fernabsatzgesetz in Kraft getreten. Es setzt eine EU-Richtlinie in deusches Recht um, die für alle Arten des Versandhandels gilt und den Verbauchern in ganz Europa einheitliche Rechte beim Einkauf per Katalog, Telefon oder im Internet verschaffen will. Der entscheidende Paragraf schreibt vor, dass Kunden Waren 14 Tage nach Erhalt auf Kosten des jeweiligen Händlers zurücksenden können – auch dann, wenn sie am PC bestellt worden sind.

Der vollständige Gesetzestext ist unter www.fernabsatzgesetz.de abrufbar. Ausgenommen sind nur Zeitungen, Zeitschriften, Software, verderbliche Waren und einige speziellere Diensteistungen. Versäumt der Anbieter, den Kunden in seinem Angebot auf das Widerrufsrecht ausdrücklich hinzuweisen, dürfen die Waren gar noch volle vier Monate nach Auslieferung auf Kosten des Verkäufers zurückgeschickt werden. Lediglich wenn der Warenwert weniger als 80 Mark beträgt, können die Kosten der Rücksendung dem Käufer berechnet werden.

Kein Zweifel: Das neue Gesetz senkt das Risiko beim Kaufrausch mit der Maus ganz erheblich. Waren, die nur auf einer Website möglichst bunt angepriesen werden, können sich leicht als Enttäuschung in der realen Welt herausstellen. Anders als im Ladengeschäft ist das Rückgaberecht daher keine bloße Frage der Kulanz. Hinzu kommt, dass die Bequemlichkeit des Onlinekaufens ihren Peis hat. Nicht immer weisen die Händler die zusätzlichen Kosten aus, die dadurch entstehen, dass die Ware ins Haus geliefert werden muss. Oft genug sind sie versteckt im Preis enthalten. Wenn nun das angebliche Schnäppchen entweder gar nicht oder nur mit weiteren Kosten zurückgegeben werden kann, schwindet der Reiz des Einkaufsbummels im Netz schnell dahin – ein Grund, warum die Umsätze reiner Onlineverkäufer bislang so häufig weit hinter den Erwartungen zurückbleiben.

Das neue Gesetz könnte durchaus Vertrauen für beide Seiten herstellen. Dennoch reagierten die Intenethändler einigermaßen gereizt. Sie argwöhnen einen Eingriff in den freien Wettbewerb und beklagen, dass sie kaum Zeit gehabt hätten, sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Die „Initiative Rechtssicherheit“ (www.wi-r.de) etwa rechnet vor: „Der Gesetzgeber hatte fast drei Jahre Zeit, die EU-Fernabsatzrichtlinie in deutsches Recht umzusetzen. Ob T-Online oder kleine Internet-Unternehmen: Online-Dienste haben nur 48 Stunden, ihr Angebot anzupassen.“

Tatsächlich hatte sich der Bundestag mit der Umsetzung der EU-Richtlinie übermäßig viel Zeit gelassen, die EU-Vorgabefrist von drei Jahren wurde sogar um einen Monat überschritten. Zeit genug also, sich auf das Unvermeidliche einzustellen, zumal das deutsche Gesetz am 13. April vom Bundestag verabschiedet worden war. Auf Initiative des Landes Hessen scheiterte es zunächst im Bundedsrat und wurde im Vermittlungsausschuss zu Gunsten der Onlineanbieter abgeändert – ursprünglich sah es eine uneingeschränkte Rücknahmepflicht auch für Waren unter 80 Mark vor.

Von übereiltem Regelungseifer kann also keine Rede sein. Aber auch in der am 8. und 9. Juni von Bundestag und Bundesrat schließlich beschlossenen Fassung bedeutet das Gesetz für kleinere Internethändler ein finanzielles Risiko. In Internetforen – etwa bei www.heise.de – drohten Jungunternehmer damit, den Handel mit Privatkunden gleich ganz einzustellen. Ein Beitrag warnte vor der „Leihbücherei Amazon“, und ein anderer brachte die Befürchtungen so auf den Punkt: „Wenn das durchkommt, trag ich jeden Tag einen neuen Anzug vom Feinsten, bis ich alle Händler einmal durch bin. Nie mehr Handtücher waschen – zurücksenden – kost ja nix. Alle Woche ne neue Glotze und ein neues Notebook. Endlich immer ’n schickes neues Fahrrad. Komisch, dass da so wenig Widerspruch ist.“

Von den Kunden ist das wohl kaum zu erwarten. Stichproben ergeben, dass die meisten Onlineshops gesetzeskonform auf das Rückgaberecht hinweisen, nur einige kleine Anbieter geben keine Auskunft, wer die Kosten trägt, oder fordern gar eine generelle Übernahme durch den Käufer. Um Ärger zu vermeiden, empfiehlt sich daher weiterhin die Lektüre der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

m.petersell@berlin.de