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: In China essen sie Hunde

Der schicke Zynismus im amerikanischen Kino der 90er hat einige unschuldige Menschenleben auf dem Gewissen. Nur ein perfekt pointierter Tod war ein guter Tod, und meistens funktionierte er nach dem klassischen Schema der Situationskomik. Am Ende stand immer ein cooler Spruch.

Mit der „Harten Welle“ der Post-Tarantino-Ära erlebte die (Nicht-)Moral des Italo-Westerns in Hollywood ihre Renaissance, und es gehörte zum Spiel, dass Filme wie „True Romance“, „Freeway“, „Love & A 45“ oder „Perdita Durango“ ihre verschmitzten Gewaltorgien mit politischen Unkorrektheiten aller Härtegrade unterfütterten.

Der Spielraum zwischen Homophobie, Rassismus und Misogynie war großzügig bemessen, aber wie beim Wrestling war auch selbstverständlich, dass niemand ernsthaft verletzt wurde. Frauen durften zwar schon mal erschossen werden, wenn sie zu viel redeten, aber nur weil ohnehin klar war, dass der Typ später mindestens seinen Schwanz von Frauenhand verlieren würde. Die Welt blieb in der Balance.

In der dänischen Komödie „In China essen sie Hunde“ basiert die soziale, politische und emotionale „Anarchie“ auf einer ähnlich laxen Rechtsgrundlage: „Es gibt nichts, was richtig ist, und es gibt nichts, was falsch ist. Du entscheidest. In China kannst du einen ganzen Schäferhund aufessen, und kein Idiot stört sich dran.“

Als Arvid Blixen diese Lebensweisheit von seinem Bruder eingetrichtert bekommt, hat er bereits eine mächtig anstrengende Zeit hinter sich. Eine groteske Blutspur durchzieht die letzten Tage seines Lebens, die aus dem jämmerlichen Bankangestellten eine veritable Killermaschine gemacht haben. Gegen schlechtes Karma hilft manchmal eben nur noch eine 9mm.

Auch in „In China essen sie Hunde“ werden Witze gerne auf Kosten von Frauen, Ausländern oder Schwulen gemacht.

Die auf Dauer äu- ßerst stumpfe Sketchparade erreicht mit erhöhter Laufzeit aber eine perfide Eigendynamik, weil Olsen jegliches Maß vermissen lässt. Irgendwann ist der Tritt ins Gesicht einer Frau auch als politische Unkorrektheit nicht mehr richtig lustig, weil man sich zu fragen beginnt, ob die physische und verbale Gewalt nicht längst Teil der strukturellen Gewalt des Filmes geworden ist.

Jedes Ressentiment erlebt auf der Leinwand den großen kleinen Moment des Coming-out und verschiebt sich vom Rollenverhalten ganz unverhohlen zur realen Politik des Films (zum Beispiel wenn einer mit der Begründung, schwul zu sein, buchstäblich in die Hölle geschickt wird, hoho). Die körperliche Demontage des serbischen Laufburschen dient primär als Projektionsfläche für alberne Rassistenwitze, während die einzige (!) Frau des Films sterben muss, weil sie ihrem (Ex-) Mann den Fernseher wegnehmen will – womit denn auch der Wandel zum eiskalten Killer vollzogen wäre. Dass sie in China Hunde essen, entschuldigt vielleicht einiges, aber nicht jeden Scheiß. Oder diesen Film. ANDREAS BUSCHE

„In China essen sie Hunde“. Regie: Lasse Spang Olsen. Mit Dejan Cukic, Kim Bodina,Thomas Villum Jensen u. a. Dänemark 1999, 90 Min.