Mit Volldampf und Frohsinn in die Zukunft

■ Von Kinos, Restaurants und anderen Kommunikations-Stätten: Eine neue Etappe in der endlosen Geschichte des Kampnagel-Geländes läuft mit der neuen Spielzeit an

Und immer wieder Kampnagel: Ist die Kulturfabrik nun fertig oder nicht? Profitiert sie vom provisorischen Status oder macht finanzielle Sicherheit die Beteiligten eher schläfrig, so dass es nur gut ist, wenn immer ein Hauch von Spannung bleibt? Auf Kampnagel stellte sich die Frage nach der Trägheit in den vergangenen Jahren nie, denn bedroht war die Ex-Fabrik fast ständig, Druck immer zur Genüge vorhanden: Jahrelange Kämpfe ums Geld, Zittern und Bangen prägen die Geschichte von Kampnagel, wo in diesem Jahr zum letzten Mal das Internationale Sommertheater Festival stattfindet.

Inzwischen ist das Gröbste ausgestanden, aber fertig? Fertig ist Kampnagel noch lange nicht, denn immer noch fehlen wichtige Ingredienzien: „Gastronomie“ und „Kino“ lauten die Streitpunkte, die – verhalten, aber deutlich – auf dem SPD-Kulturforum am Mittwoch in Winterhude die Gemüter erhitzten, wenn auch längst nicht alle Unstimmigkeiten offen ausgetragen wurden: 800.000 Mark aus dem Verkauf des Casinos sollen für eine neue gastronomische Lösung abgezweigt werden; verkauft werden soll das Gebäude möglichst noch in diesem Jahr. In welchem Umfang von diesem Betrag allerdings Gastronomisches im Hauptgebäude des Kampnagel aufgebaut werden kann, steht noch in den Sternen. Allein der Wille ist da: „Eine Kultureinrichtung soll auch ein Ort der Kommunikation auch außerhalb der Veranstaltungen sein“, betont Kultursenatorin Christina Weiss – und eine zeitliche Lücke zwischen Verkauf und Eröffnung eines neuen Gastronomie-Ortes soll es möglichst auch nicht geben.

Allein am Geld scheiden sich, wie so oft schon, die Geister: „800.000 Mark reichen nicht“, verkündete der scheidende Künstlerische Kampnagel-Leiter Res Bosshart; 1,6 Millionen koste allein die Einrichtung einer Kneipe im Kampnagel-Hauptgebäude, rechnet er vor. Auch ein Betreiber für das nach dem Konkurs des Alabama dringend gewünschte Kino habe sich noch nicht gefunden: „Es gibt seit 1996 verschiedene Ideen für ein Art-Kino und für Gastronomie, aber verbindliche Zusagen irgendeines Investors existieren bis heute nicht“, klagt Bosshart – ein Manko, das einen enormen Attraktivitätsverlust für Kampnagel bringe, der sich gar nicht in Zahlen beziffern lasse. Wen er dafür anzählt, sagt er nicht; Vorwurf schwingt aber deutlich mit in seiner Stimme.

Dabei mag Bosshart eigentlich Abhängigkeiten nicht, am allerwenigsten die von Drittmitteln, von denen die Produktionen schon jetzt viel zu stark abhängig seien: „Mäzene, Partner in der Wirtschaft und ausländische Kulturbehörden haben die Spielzeit 2000/2001 mit 500.000 Mark unterstützt – das sind sechs Prozent der Gesamtkosten und 30 Prozent der künstlerischen Ausgaben.“ Äußerst bedenklich findet Bosshart diese Entwicklung, denn „da entstehen irgenwann reale Gefahren für freie, experimentelle Kunst.“ Existenzbedrohend sei ein solches Modell außerdem: „Heute ist z. B. ein wichtiger Sponsor wegen schlechter Geschäftslage abgesprungen, sodass wir diesmal 100.000 Mark weniger für die Spielzeit haben werden.“

Trotzdem: Trauermusik will Bosshart nicht spielen, auch in der letzten vom ihm geprägten Spielzeit nicht nachlassen: „Diese letzte Saison soll keine Rückschau sein, sondern mit Volldampf in die Zukunft rattern“. Nur würde er der künftigen Kampnagel-Intendantin Gordana Vnuk eben gern ein Haus mit intakten Strukturen hinterlassen: „Kino und Restaurant sollten in einem Jahr fertig sein.“ Da raunt es mächtig in der Kulturkämmerer-Ecke. Petra Schellen