On the road again ...

■ Wenn die Straße mal nicht für Autos, sondern für Kinder da ist, dann verbirgt sich dahinter zumeist die Aktionsgemeinschaft Straßenspiel / Anmeldung bitte jetzt!

„Viele Kinder, die in der selben Straße wohnen, kennen sich nicht mal. Das gleiche mit den Erwachsenen, man kommt in so einer Umgebung einfach nicht in Kontakt.“ Diese recht einfache aber zugleich beängstigende Erfahrung stammt von Erika Brodbeck von der Aktionsgemeinschaft Straßenspiel. Spielende Kinder auf der Straße? Wo gibt's denn das noch? Hier parken und fahren jetzt die Autos, Menschen bleiben da lieber in ihren vier Wänden. Allerdings: Am 17. September kann sich dieser Zustand in einigen Straßen einen Tag lang ändern. Dann organisiert die Aktionsgemeinschaft zum dritten Mal eine Straßen-Spiel-Aktion zum Weltkindertag 2000. Und das bedeutet: Von 8 bis 20 Uhr wird die Straße dicht gemacht. Autos dürfen dann nicht einmal mehr dort parken. Das gesamte Pflaster gehört den Anwohnern. Eine ungewohnte Freifläche direkt vor der Tür – zum Spielen, Rad fahren und sorgenlosen Herumspringen.

Das Ganze ist natürlich nicht so einfach wie es klingt. Erst mal muss die ganze Sache beim Stadtamt eingereicht werden. Um diese Bürokratie kümmert sich jedoch die Aktionsgemeinschaft mit einem Sammelantrag. „Nicht alle Anfragen werden dabei genehmigt“, weist Brodbeck auf die Probleme hin. Bei einer zu großen Straße, könne man die Hoffnung auf eine Sperre gleich begraben. So bewarben sich Anwohner der Lahnstraße in der Neustadt zweimal vergeblich um die Straßenspielaktion. Manchmal kommt es auch zu ganz unerwarteten Stolpersteinen. Brodbeck: „Es kommt immer wieder vor, dass eine Gruppe von Anwohnern Unterschriften gegen das Fest in der eigenen Straße einholt. Die müßten sonst ja einen Tag lang mit dem Problem leben, nicht bequem bis zu ihrer Haustür vorfahren zu können und dort zu parken.“

Vor zwei Jahren bemühte sich die gemeinnützige Organisation zum ersten Mal um die Realisierung ihrer Straßensperr-Idee. Da gab es dann gleich Probleme mit dem Stadtamt. Das verlangte die Unterschrift jedes einzelnen Anwohners, um über die Genehmigung der Aktion überhaupt erst mal nachzudenken. „Das fand ich echt unverschämt“, schimpft Brodbeck. Die Kontrahenten einigten sich. Jetzt muss jeder Anwohner benachrichtigt werden und hat dann zwei Wochen Zeit, Protest anzumelden. 50 Straßen machten im vergangenen Jahr mit. Manchmal waren die Feste nur kleine Spieltreffen einiger Familien, oft jedoch Zusammenkünfte der meisten Anwohner – egal ob jung oder alt.

Für die Aktionsgemeinschaft geht es mit ihrer Idee allerdings nicht nur um das nette Zusammentreffen von Nachbarn. Die Organisation kümmert sich generell auch um Verkehrsprobleme der Bürger. Und die wünschen sich immer öfter das viereckige, blaue Straßenschild für ihren Wohnbereich: das Spielstraßenschild. „Mit unserer Straßenspielaktion wollen wir auf dieses Bedürfnis aufmerksam machen“, erklärt Brodbeck.

50 Anfragen auf die totale Verkehrsberuhigung hätte die Aktionsgemeinschaft in den letzten zwei Jahren bekommen. Nur eine davon sei langsam auf dem Weg, das Ziel zu erreichen. Erika Brodbeck ist verärgert: „Spielstraßen sind zur Zeit politisch unerwünscht.“

Diesen Vorwurf weist Thomas Wunderlich, Mitarbeiter im Amt für Straßen und Verkehr sofort weit von sich. Es gehe hier überhaupt nicht um Politik, sondern ganz einfach um Geld, Gesetze und Stadtplanung. Sogenannte Spielstraßen müssten optisch zu erkennen sein: Eine durchgehende Fläche ohne Absätze und Bürgersteige, Bäume oder Beete, hier und da eine markierte Parkfläche. „Und kein Mensch baut einfach so eine intakte Straße um. Das Geld haben wir gar nicht“, beschreibt Wunderlich nüchtern.

Bekanntlich läßt sich ja auch über den Geschmack streiten. Und so manchem Stadtplaner gefällt die Vorstellung von denkmalgeschützten Häusern und geziegelten Spielstraßen einfach nicht. Nicht zu vergessen all die Parkflächen, die mit einer Spielstraße verschwinden würden. Wunderlich: „Bei diesem Thema kollidieren die Dinge einfach.“ Außerdem seien in seinem Amt gar nicht so viele Anträge eingegangen, wie bei der Aktionsgemeinschaf. Höchstens 15 könnten es in den vergangenen Jahren gewesen sein. „Und die Umsetzung tendiert momentan gegen Null“, so Wunderlich Für die meisten wird es vorerst also bei dem einen Tag Spielstraße bleiben. Imke Gloyer

Interessierte Straßeninitiativen können sich bis Samstag, 8. Juli, unter Tel.:  242 895 55 melden.