Abwässer weiter ungeklärt in Flüsse

EU-Kommission verklagt Deutschland wegen schlechter Abwasserpolitik. Kritik an Verpackungsverordnung

BRÜSSEL taz ■ Die EU-Kommission will Italien, Österreich, Belgien und Deutschland wegen ihrer Abwasserpolitik vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. Seit 31. Dezember 1998 müssen Städte mit mehr als 10.000 Einwohnern, die in besonders schutzwürdigen Zonen liegen, ihr Abwasser durch Kläranlagen leiten. Bis heute aber lassen Mailand und Brüssel den Dreck unbehandelt ins Meer fließen.

Auch die deutsche Abwasser-Gesetzgebung entspricht nicht den EU-Vorgaben. Sachsen und Sachsen-Anhalt zum Beispiel gehören ebenfalls zu den schutzwürdigen Zonen, da das Abwasser dort über Flüsse ins Meer gelangt. Dennoch gelten bislang für die Städte in diesen Bundesländern keine besonders strengen Auflagen. Kritik übt die Kommission auch an der Abwasserüberwachung in Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland. Inzwischen haben die meisten deutschen Bundesländer neue Gesetzentwürfe vorgelegt, die den Vorgaben der Kommission entsprechen. Sollten sie rasch umgesetzt werden, wird die Kommission die Klage zurückziehen.

Generell zeigt sich Brüssel bei Umweltverstößen wesentlich langmütiger als bei Fällen, in denen der freie Warenverkehr gefährdet ist. So bleiben die strengen EU-Auflagen für den Umweltschutz oft graue Theorie. Selbst wenn Mitgliedstaaten vor dem Europäischen Gerichtshof schuldig gesprochen sind, passiert nichts, denn bislang blieben solche Urteile ohne finanzielle Folgen. Vergangenen Dienstag hat der EUGH zum ersten Mal ein Strafgeld verhängt – wegen einer gesundheitsgefährdenden Mülldeponie auf Kreta.

Brüssels Kritik an der deutschen Verpackungsverordnung, die gerade durch einen zweiten Mahnbrief der Kommission bestätigt wurde, dürfte in Deutschland auf mehr Resonanz stoßen als die Kritik an der Abwasserpolitik. Die deutsche Verpflichtung zur Rücknahme von Getränkeverpackungen treibe die Kosten für ausländische Getränkehersteller hoch, die ihr Leergut über weite Strecken transportieren müssten, argumentiert die Kommission. Das schaffe ungleiche Wettbewerbsbedingungen. Die Getränkehersteller überall in Europa dürften den Mahnbrief mit Wohlgefallen gelesen haben. Die lästigen Rücknahmequoten, die dem Siegeszug der coolen Dose im Weg stehen, sind so gut wie vom Tisch.