„Gefangene sollen Schulden bezahlen“

Bund und Länder streiten über Arbeitslöhne für Strafgefangene. Ex-Verfassungsrichter Kruis fordert deutliche Erhöhung

taz: Herr Kruis, heute wird der Bundestag erstmals über die Erhöhung der Gefangenenentlohnung beraten. Wie konkret sind die Vorgaben des Verfassungsgerichts?

Konrad Kuis: Das Gericht hat keine exakten Zahlen genannt, aber klar ausgedrückt, dass die jetzige Bezahlung mit nur 5 Prozent der deutschen Durchschnittslöhne gegen das im Grundgesetz verankerte Prinzip der Resozialisierung verstößt. Einem Strafgefangenen wird so nicht bewusst gemacht, dass Erwerbsarbeit sinnvoll ist, um die Lebensgrundlagen zu bestreiten.

Jetzt liegen zwei Vorschläge auf dem Tisch. Die Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin schlägt eine Erhöhung von 5 auf 15 Prozent der Durchschnittslöhne vor. Die Länder halten dagegen nur 7 Prozent für bezahlbar.

7 Prozent sind eindeutig zu wenig. Zweistellig müsste die Prozentzahl wohl schon sein.

Der Vorschlag der Bundesregierung wäre also verfassungskonform? Bei Schaffung des Strafvollzugsgesetzes 1976 war immerhin noch von 40 Prozent die Rede, bis die Länder intervenierten.

Das stimmt. Damals war aber auch vorgesehen, dass von den Gefängnislöhnen ein Haftkostenbeitrag abgezogen wird, der heute bei 500 bis 700 Mark läge. Wenn man diesen Betrag zum Vorschlag der Bundesregierung hinzurechnet, kommt man in eine ähnliche Größenordnung.

Die Länder wollen die arbeitsfreie Zeit im Gefängnis ausweiten. Verbessert das nicht auch das Angebot von 7 Prozent?

Nein. Wenn ein Gefangener mehr arbeitsfreie Tage in der Haft erhält, so verbessert das überhaupt nicht seine Fähigkeit, die Lebensgrundlagen zu bestreiten.

Die Gefangenen sollen also unmittelbar Geld auf die Hand erhalten?

Das so genannte Hausgeld muss sich nicht unbedingt erhöhen. Auch beim Entwurf der Bundesregierung ist das zu Recht nicht vorgesehen. Die Gefangenen sollen ihre Schulden begleichen, Wiedergutmachung für ihre Taten leisten und ihre Familien unterstützen. Das ist viel wichtiger, denn Resozialisierung ist Erziehung zur Verantwortung.

INTERVIEW: CHRISTIAN RATH