Kouchner verärgert Albaner

Im Kosovo boykottieren die Albaner die Zusammenarbeit mit der UN-Verwaltung, weil deren Chef Bernard Kouchner sich zu Absprachen mit den Kosovo-Serben traf

BERLIN taz ■ Knapp ein Jahr nach dem Einmarsch der Nato-geführten Friedenstruppe KFOR und der Übernahme der zivilen Verwaltung durch die UNO (Unmik) stehen die Zeichen im Kosovo wieder auf Konfrontation. Mitte der Woche setzte die Demokratische Partei Kosovos (PDK) unter Führung von Hashim Thaci ihre Zusammenarbeit mit der Unmik aus und boykottierte eine Sitzung des Interims-Verwaltungsrates. Stein des Anstoßes war eine Vereinbarung zwischen Unmik-Chef Bernard Kouchner und Bischof Artemije Radosavljevic vom Serbischen Nationalrat, der Vertretung der Kosovo-Serben.

Das in der vergangenen Woche unterzeichnete Dokument sieht erhöhte Sicherheitsmaßnahmen für die serbische Minderheit im Austausch gegen deren Mitarbeit in den gemeinsamen Verwaltungsgremien vor. Konkret geplant ist die Einrichtung von örtlichen Büros zur Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Dienstleistungen sowie eine spezielle Schutztruppe und eine Nachbarschaftswache in den serbischen Siedlungsgebieten.

Die Albaner fühlen sich bei diesem „Deal“ nicht nur übergangen, sondern fürchten auch, dass die Vereinbarung ein erster Schritt hin zur Entwicklung der serbischen Enklaven zu Mini-Staaten sein könnte. Kouchner war denn auch sogleich um Schadensbegrenzung bemüht. „Mir ist klar geworden, dass diese Vereinbarung für einige Albaner wie eine Rückkehr zur Vergangenheit klingt und sie an schlechte Zeiten erinnert“, sagte Kouchner. „Ich entschuldige mich, denn das war keinesfalls unsere Absicht.“

Doch die jüngste Übereinkunft zwischen Serben und der Unmik ist nur ein Punkt, der bei den Albanern auf Kritik stößt. Und so holte Thaci zu einem Rundumschlag aus. Die Beteiligung von Einheimischen an den Kosovo-Polizeikräften sei noch immer viel zu gering, klagte er. Auch seien Rentenforderungen von Angehörigen getöteter oder verletzter Mitglieder der Kosovo-Befreiungsarmee (UÇK) bislang schlichtweg ignoriert worden. Und außerdem hätten die internationalen Kräfte beim Schutz der rund 2.000 Albaner im Nordteil der Stadt Mitrovica versagt.

Darauf zu hoffen, dass sich die Beziehungen zwischen Serben und Albanern im de facto geteilten Mitrovica bald verbessern, muss wohl Optimisten überlassen bleiben. Fast täglich werden dort Menschen Opfer von Übergriffen und Anschlägen, die Vertreter der jeweils anderen Volksgruppe verüben.

Die KFOR erwies sich dort bisher als unfähig, der Gewalt Einhalt zu gebieten. „Die Serben leben in ständiger Angst“, sagt der Präsident des Serbischen Nationalrates in Mitrovica, Oliver Ivanovic. Er habe seine Landsleute dazu aufgefordert, sich für die bevorstehenden Lokalwahlen im Herbst nicht registrieren zu lassen. Schließlich seien für die Serben weder Bewegungsfreiheit garantiert noch die Rückkehr von aus Mitrovica vertriebenen Serben erfolgt.

Auch der albanische Bürgermeister von Mitrovica, Bajram Rexheri, stapelt tief. „Wenn wir zu irgendeiner Art von Koexistenz kommen, ist das für den Anfang schon viel“, sagt er. Die Wahlen könnten allenfalls dazu dienen, Institutionen zu legitimieren. „An der Beziehung zwischen Albanern und Serben werden sie nichts ändern.“

Wie lange die Albaner ihre Blockadehaltung aufrechterhalten wollen, ist unklar. Thaci, der einen Kompromiss nicht ausschließt, wollte sich gestern mit Kouchner treffen. Zuvor hatte die UN-Sprecherin Nadia Younes schon einmal vorsorglich angekündigt, dass das Abkommen mit den Serben in keinem Fall geändert würde. BARBARA OERTEL