Luftballons der CDU für Österreich

Die Union steht in Treue fest zu ihren Freunden aus Wien. Deren Isolierung in der EU ist für sie Teil einer linken Verschwörung. Parteichefin Merkel beschwört das Ende der Demokratie herauf, „wenn Gesinnung entscheidet, wer mit wem sprechen darf“

aus Berlin BETTINA GAUS

Warum haben die EU-Mitgliedstaaten Österreich diplomatisch isoliert, seit die FPÖ des Rechtspopulisten Jörg Haider an der Regierung beteiligt ist? Für CDU-Politiker ist die Antwort auf diese Frage klar: Die Sozialistische Internationale will einfach nicht akzeptieren, dass die österreichischen Sozialdemokraten nicht länger an der Regierung beteiligt seien.

„Regierungsbildungen in Europa brauchen offenbar in Zukunft das Plazet der Sozialistischen Internationale“, meint Hartmut Nassauer, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament. Der Bundestagsabgeordnete Friedbert Pflüger hält die Sanktionen gegen Österreich für ein fatales Signal an die Adresse neuer Beitrittskandidaten: „Man gewinnt ja allmählich den Eindruck, als könne man nur in die EU kommen, wenn man schön links ist.“ Sein Kollege Georg Brunnhuber will nicht, „dass Sozialisten, die mit Kommunisten paktieren, uns vorschreiben, mit wem wir Koalitionen schließen“.

Die CDU übt sich in demonstrativer Solidarität. Der Freundschaft mit Österreich hat die ihr nahe stehende Konrad-Adenauer-Stiftung das diesjährige Sommerfest mit Blasmusik und rotweißen Luftballons gewidmet und mit einem zweitägigen Symposium verbunden. „Widerstand“ gegen die Sanktionspolitik der EU wolle die Stiftung leisten, sagt Generalsekretär Wilhelm Staudacher. Franz Morak, Staatssekretär im österreichischen Kanzleramt, war gerührt: „Diese Worte – ich verhehle es nicht – tun einem Österreicher gut.“

Zumal Politiker aus Wien derzeit nicht so oft Freundlichkeiten zu hören bekommen. „Signifikant“ weniger Diplomaten seien in diesem Jahr zum Sommerfest gekommen, sagt eine Sprecherin der Stiftung. Dafür hätten sich „mehr als 100 Bundestagsabgeordnete“ angesagt, Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen erinnert sich mit freundlichen Worten an einen Besuch in Wien vor wenigen Wochen, und die CDU-Vorsitzende Angela Merkel erklärt, was aus ihrer Sicht die Freiheit gefährdet: „Wenn politische Gesinnung darüber entscheidet, wer mit wem sprechen darf, dann ist das das Ende der Demokratie.“

„Gerade in einer Phase der Sanktionen“ findet es Friedbert Pflüger, Vorsitzender des Europaausschusses, wichtig, Verbundenheit zu zeigen, und lobt die Regierung Schüssel als „wahrlich pro-europäisch“. Niemandem gehe es um „Sympathie mit Herrn Haider“. Aber gehöre nicht zum Wertekanon der EU auch die Akzeptanz einer freien Wahl? Die Sanktionen seien ohne geordnetes Verfahren verhängt worden: „So kann man in Europa nicht miteinander umgehen.“

Herzerwärmende Übereinstimmung herrschte auf dem Podium und bei den geladenen Gästen. Nur die Ankündigung von Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, bei Fortdauer des Sanktionen im Oktober eine Volksbefragung zur Europapolitik abhalten zu wollen, sorgt für ein wenig Unbehagen. Er halte ein solches Referendum für „ein sehr kritisches und gefährliches Instrument“ warnte Pflüger – aber man müsse die Österreicher eben auch verstehen. Kein österreichischer Politiker könne einem weiteren Souveränitätsverlust und einer Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen anstelle des Einstimmigkeitsprinzips zustimmen, wenn die Sanktionen in Kraft blieben. Die diplomatische Isolation Wiens gefährde daher die geplante Reform der Europäischen Union.

Nein, nein, einen Automatismus zwischen der Volksabstimmung und einem österreichischen Veto werde es nicht geben, betonte ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat. Aber am schönsten sei es doch, wenn das Referendum gar nicht notwendig werde, weil die Sanktionen rechtzeitig aufgehoben würden. Das findet CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz auch: „Ich fordere Bundeskanzler Schröder und die deutsche Bundesregierung auf, endlich diesen unsinnigen Boykott Österreichs aufzugeben.“

Für so treue Freunde in der Not ist Österreichs Bundeskanzler dankbar, und er will sich auch erkenntlich zeigen: „Ich hoffe, wir werden uns auch einmal, wenn es Not tut, revanchieren können“, erklärt Wolfgang Schüssel per Satellitenleitung den Gästen des Sommerfests. Mit welcher politischen Entwicklung rechnet der Mann?