Heikler Staatsbesuch

Kanzleramt hält sich bedeckt gegenüber der Kritik am Besuch von Irans Präsident Chatami. Menschenrechte sollen nur dezent behandelt werden

BERLIN taz ■ Kurz vor Beginn des Deutschland-Besuchs von Irans Präsident Chatami am Montag zeigt sich die Bundesregierung verunsichert. Hohe Regierungsbeamte reagierten gestern in Berlin ungewöhnlich defensiv auf die Kritik an der Einladung Chatamis. „Wir spielen keine Sonderrolle im Verhältnis zum Iran“, wurde im Kanzleramt betont, „wir sind nicht vorgeprescht.“

Frankreich und Italien hätten bereits lange vor der Bundesrepublik Chatami-Besuche ausgerichtet. „Wir bewegen uns am unteren Ende des Mainstreams“, sagte ein Beamter.

Als weitere Kronzeugen für die moralische Zulässigkeit der Einladung führt das Kanzleramt den Papst, amnesty international und Claudia Roth ins Feld, die bündnisgrüne Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag. Alle Genannten sähen in Gesprächen mit Chatami ein geeignetes Mittel, den Reformprozess im Iran zu stärken. So habe der Papst persönlich Chatami im letzten Jahr empfangen. „Wir sind nicht in der schlechtesten Gesellschaft“, hieß es in Regierungskreisen.

Trotzdem will die rot-grüne Regierung angesichts der Menschenrechtsverletzungen im Iran offenbar den Eindruck vermeiden, sie suche einen allzu engen Schulterschluss mit dem Regime in Teheran. „Das ist keine einfache Partnerschaft“, wird ebenso betont wie die Möglichkeit, „dass es Rückschläge geben kann“.

Chatami trifft am Montag in Deutschland ein und bleibt bis Mittwoch. Kontrovers könnte es in den Gesprächen nach Erwartung von Beamten nicht nur beim Thema Menschenrechte zugehen. In der Vergangenheit war der Iran wiederholt beschuldigt worden, in terroristische Aktionen sowie Waffengeschäfte verwickelt zu sein. Bundeskanzler Gerhard Schröder werde die Themen ansprechen, hieß es, aber sie „nicht auf den öffentlichen Markt tragen“.

Unklar bleibt somit, ob sich Rot-Grün wirksamer für Menschenrechte einsetzt als die konservative Vorgängerregierung. Das Interesse der Bundesregierung am Iran konzentriert sich neben der strategischen Bedeutung des Landes vor allem auf den steigenden Bedarf an Kapital- und Technologieimporten.

Bereits im Frühjahr wurde der Umfang deutscher Hermes-Bürgschaften aufgestockt und eine weitere Erhöhung ist Andeutungen zufolge während des Besuches geplant. Außerdem soll das Investitionsschutzabkommen aktualisiert werden.

Eine Gruppe iranischer Oppositioneller hat gestern in Amsterdam einen Raum des deutschen Konsulats besetzt. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes bestätigte gestern, neun bis zehn Iraner hätten im Raum vor dem Visumschalter eine Petition gegen den Besuch Chatamis in Deutschland übergeben.

PATRIK SCHWARZ