Wir wollen mit Essent wachsen

■ Interview mit swb-Chef Jochum über den neuen 51-Prozent-Anteilseigner aus den Niederlanden, den neuen Strommarkt und den Atomkonsens

taz: Was ist das für ein Unternehmen, Ihr neuer Partner Essent?

Gerhard Jochum: Essent ist durch die Fusion von zwei kommunalen Stadtwerken entstanden. Essent ist in den gleichen Geschäftsfeldern tätig wie wir: Produktion und Verkauf von Energie, Abfall-Entsorgung, Gebäudemanagement und in der Telekommunikation. Mit insgesamt annähernd zehn Milliarden Mark Umsatz und rund 10.000 Beschäftigten ist Essent der größte niederländische Infrastruktur-Dienstleister und passt von seinen Aktivitäten sehr gut zu uns.

Wenn Sie sagen, dass sich mit Essent die Chance bietet, neue Geschäftsfelder aufzubauen, was meinen Sie denn dann?

Wir sind für Essent eine gute Plattform für den deutschen Markt. Wir möchten gemeinsam mit Essent wachsen. Und das müssen wir außerhalb Bremens erreichen. In einem Wettbewerbsmarkt ist das aber keine Kampfansage an andere Unternehmen, sondern das ist die Spielregel, mit der wir leben. Dazu brauchen wir einen Partner, der das gleiche will, der uns nicht nur unter dem Gesichtspunkt von Synergien betrachtet, dann wären wir eine Restgröße, eine schrumpfende Veranstaltung.

Bremen liegt mitten im Preag-Land. Muss die Preag diese strategische Partnerschaft nicht als Kampfansage verstehen?

Nein. Die Entwicklung der swb in den letzten Jahren wäre ohne die konstruktive Zusammenarbeit mit den Anteilseignern nicht möglich gewesen. Die Entscheidung, die die Stadt Bremen 1995 getroffen hat, nämlich 29 Prozent an private Anteilseigner, darunter die Preußen-Elektra zu verkaufen, war für das Unternehmen außerordentlich hilfreich. Aber Preußen-Elektra kann sich schon aus kartellrechtlichen Gründen nicht weiter engagieren. Wenn ein anderer Aktionär jetzt diese Stellung hat, dann mag das vordergründig wie eine Kampfansage aussehen. Wir würden uns aber sehr wünschen, zu einer Form der Zusammenarbeit zu kommen, die vernünftige Kooperations- und vernünftige Wettbewerbselemente gleichermaßen beinhaltet. Die Zeit, in der es einfache Freund-Feind-Schemata gab, ist vorbei. Wir haben mit der rechtlichen Verselbständigung der einzelnen Sparten unserer Gruppe die Voraussetzung geschaffen, zum Beispiel in der Stromerzeugung mit dem Partner X zusammenzuarbeiten, in der Telekommunikation mit dem Partner Y und im Abwasser-Entsorgungsgeschäft mit dem Partner Z. Und so werden wir uns darum zu bemühen, die gute Zusammenarbeit mit der Preussen-Elektra und der Ruhrgas aus der Vergangenheit hinüberzuretten in eine Zeit, in der Essent als 51-Prozent-Anteilseigner eine starke Position hat.

Aber wenn Sie außerhalb Bremens Dienstleistungen anbieten?

Heute haben wir zum Beispiel mehr private Kunden in Bayern, die wir mit Strom versorgen, als im „Preag-Land“, wie Sie sagen.

Über den Deutschen Siedlerverband? Da gab es Probleme.

Ja. Die Klagen, die es da gab, sind aber zurückgezogen worden. Wir blicken nicht von Bremen 100 Kilometer nach links und rechts, da wären wir nur im Preag-Land, sondern wir gucken: Wo sind Kunden, für die unsere Infrastruktur-Palette interessant sein könnte. In der Kombination zwischen Essent und swb wird sich auch eine spezifische Wachstumspolitik entwickeln. Wir haben vereinbart, weitere Partnerschaften zu knüpfen nach Bremer Muster, und dann in Nordrhein-Westfalen, in Bayern oder in den neuen Ländern mit vier, fünf, sechs Partnern in den nächsten Jahren ein Netzwerk zu knüpfen.

Die EWE ist bei der Verteilung der Aktienpakete nicht zum Zuge gekommen, und jetzt wird ganz nett geredet von Partnerschaft.

Die entscheidende Frage ist die der Ziele und Strategien. EWE denkt und handelt noch stark in den alten Grenzen des Versorgungsgebietes und schätzt vielleicht die Marktentwicklung anders ein als wir. Wenn man unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft der Märkte hat, dann ist eine Zusammenarbeit schwierig. Unbestritten ist, dass es zwischen EWE und swb eine Reihe von Synergie-Möglichkeiten gibt. Aber wenn es nur um Synergien geht und ansonsten keine gemeinsame Wachstumspolitik, kein gemeinsames Leitbild existieren, dann ist das etwas wenig für eine Kooperation.

Dann ist entscheidend, wie man im Nahbereich miteinander umgeht. In Delmenhorst wird gekämpft?

Delmenhorst ist seit geraumer Zeit dabei zu überlegen, wie es mit den eigenen Stadtwerken weitergeht. Die Stromversorgung macht die EWE unmittelbar, die Stadtwerke Delmenhorst machen die Gasversorgung, da ist die swb der Vorlieferant. Von daher würde es sich anbieten, wenn man nicht nur sonntags von Kooperation redet, sondern das auch während der Woche praktiziert und zwischen Delmenhorst, der EWE und der swb-Enordia ein Kooperationsmodell entwickelt würde. Das haben wir angeboten. Aber wenn man keine Kooperation zu dritt will, dann werden wir unser Angebot an Delmenhorst alleine machen.

Vor zwei Jahren gab es Verhandlungen mit dem Ziel, dass der gesamte in Bremen produzierte Strom an die Preag verkauft werden sollte, die Preag sollte nach Bedarf dann zurückliefern.

Diese Verhandlungen sind vor rund einem Jahr ohne Ergebnis beendet worden. Wir bedauern das. Aber wir respektieren, dass es Gründe gab für Preußen-Elektra, zu sagen: Wir können kein besseres Angebot machen. Das, was vorlag, war für die swb nicht ausreichend attraktiv. Unser Beschaffungskonzept werden wir nun im Alleingang realisieren und bis zum Jahre 2005 schrittweise Kapazitäten stilllegen.

Tangiert Sie der Atom-Ausstiegs-Beschluss der Bundesregierung bis 2030?

Mittel- und langfristig spielt das eine Rolle. Die ökologische Motivation auf der einen Seite und die ökonomische Wirklichkeit auf der anderen Seite passen nicht zusammen. Ich kann nicht erkennen, welchen Vorteil es hat, wenn wir in Deutschland Kernkraftwerke still legen und dann möglicherweise Strom aus Ländern zukaufen müssen, in denen wir auf Kernkraftwerke treffen.

Deutsche?

... möglicherweise von deutschen Herstellern und möglicherweise von deutschen Betreibern. Diese Logik hat sich mir nicht erschlossen. Dazu kommt, dass wir schon in der jetzigen Kraftwerks-Situation große Schwierigkeiten haben, die Vorgaben der 25-prozentigen Kohlendioxid-Minderung zu erreichen.

Sie sehen keine Chance, über die Förderung von alternativer Energieerzeugung in einer Phase von 30 Jahren Ersatz zu schaffen?

Unter dem Strich sehe ich diese Möglichkeit nicht. Die Steigerung der Energie-Effizienz wird noch den größten Beitrag leisten. Regenerative Energie-Quellen sollen einen größeren Anteil bekommen, aber 30 bis 35 Prozent Kernenergie-Anteil wird man nicht mit regenerativen Energien kompensieren können.

Hat der alte Mehrheits-Aktionär Bremen in den letzten Jahren abgesehen von dem Thermokomfort-Beispiel gezielt energiepolitischen Einfluss ausgeübt?

Wir haben nach diesem Beispiel Thermokomfort eine etwas andere Diskussion zwischen Bremen und dem Unternehmen gehabt. Der Versuch politischer Einflussnahme ist danach nicht mehr gemacht worden. Der Rückzug Bremens ist aus unserer Sicht aber keine Befreiung von irgend einem Joch. Es geht um die Vorteile einer industriellen Anteilseigner-Struktur. Das ist eine positive Aussage zum Unternehmen. Fragen: Klaus Wolschner