Keiner weiß, wer Laarmann ist

Nichts für Lutscher: Zur Love Parade wurde vom Berliner Webradio eine „LOVE-WG“ mit sechs Ravern eingerichtet

Neben anderem Schönen hat die Love Parade auch den Vorteil, dass man drei Tage lang begeistert Radio hört. Außer Fritz mit seinen naseweis Begeisterung simulierenden Moderatoren hatte diesmal das Webradio drei Tage lang Techno und Verwandtes gesendet. Das Berliner Webradio ist irgendwie mit Texxas, dem Internetprogramm befreundet, und Texxas, „die Programmzeitschrift im Internet fürs Internet“, hatte anlässlich der Love Parade eine „LOVE-WG“ ins Leben gerufen. Vom 6. bis zum 10. Juli wohnten sechs vernetzte junge Raver zusammen zum Anfassen oder doch zumindest zum Angucken in einer Wohnung in der Preußenallee, nahe dem Olympiastadion. Über 1.000 junge Leute hatten sich für das „Wochenendpackage“ beworben; per Voting hatte die „Internetgemeinde“ entschieden, wer in die WG durfte. Der letzte Platz wurde im „LOVE-Special“ des Internetauktionshauses ANDSOLD.de versteigert. Dominik, 24, zahlte 1.700 Mark und bekam dafür: einen schönen Platz auf einem Wagen, Freikarten für diverse Parties, umsonst Hin- und Rückfahrt, Beck’s, so viel man trinken kann, Solero, so lang man lutschen kann, und Bahlsen-Kekse, denn die waren auch mit dabei als Sponsor.

Am Donnerstagabend waren die jungen Leute eingezogen. Ein Zimmer sah aus wie eine Rumpelkammer. Da hatte man die Sachen des normalen Bewohners gestapelt. Man machte auch gleich Party. Viele Medienvertreter und die „Berlin Mitte Boys“ waren auch dabei. Wer Laarmann ist, weiß keiner. Die Party war wild und ging bis 22 Uhr.

Tobias, 23, der auch mal von einem Wagen runter aufs Fußvolk schauen wollte und bei einer Internetsoap arbeitet, Tom, 27, der bei WEST.de eine Chat-Show macht, Ute aus Karlsruhe, die sich total spontan beworben hatte und Internetmoderatorin ist, Deike, die sagte: „So ganz freie Vögel sind wir hier nicht“, und den anderen konnte man dann via Webcam bei ihrem Berlinurlaub zugucken.

Ihr Ausflug schien so reglementiert wie eine Kaffeefahrt. Der Samstagsplan sah zum Beispiel folgendermaßen aus: 9 Uhr Frühstück, 11 Uhr Interview (TV-Berlin), 13 Uhr Parade, nach der Parade gegen Mitternacht wieder nach Hause, kurz frisch machen, zur Columbiahalle fahren, zwei Stunden Party, dann Maria am Ostbahnhof wieder zwei Stunden und der schöne Tag in Berlin klingt dann open end in der Kalkscheune aus. Weil das alles nichts für Lutscher ist, mussten sie am Sonntagvormittag dann wieder an die Computer, um der Internetgemeinde von ihren Exzessen zu erzählen. Ansonsten: Chillen, Texxas-T-Shirts tragen und Montagmorgen wieder nach Hause.

Warum das alles? – „Neue Freundschaften kennen lernen“, „eine witzige Aktion. Gibt es ja nicht jedes Jahr.“ Außerdem: „Sowas kann man sich ja nicht kaufen. Hat man nur einmal im Leben“, und „Ich finde es sehr schön, dass ich euch alle kennen lernen konnte“, sagte Peter, 23, aus Oldenburg. Die in der WG angekündigten Events konnten dann doch nicht wie geplant stattfinden, weil sich die Nachbarn beschwert hätten. An einer Tür im Erdgeschoss hing ein Schild: „Liebe Patientenbesitzer! In den nächsten 3 Wochen ist die Praxis Montag- und Freitagnachmittag geschlossen, da ich mich in dieser Zeit in medizinischer Behandlung befinde und der Kollege in Urlaub ist.“ Das war der Tierarzt. Vor Ketamin wird gewarnt. DETLEF KUHLBRODT