Bumm: Die Stadt war Klang

Rund eine Million Menschen kamen zur Love Parade – weniger, als die Veranstalter erwartet hatten. Für Berlin hat es sich dennoch gelohnt: Jeder auswärtige Raver gab durchschnittlich 255 Mark aus

von RICHARD ROTHER

Sie kamen von überall. England, Polen, Russland, Italien, Australien – und sie hatten das, was sie unter Spaß verstehen: tanzen, pfeifen, pinkeln, saufen, lachen, essen, gaffen, johlen, knutschen, schwitzen, spritzen, hüpfen. Rave hin, Rechtschreibreform her: „Spass ist, was ihr draus macht“, prangte vom Techno-Truck des Hauptsponsors. Rund eine Million Menschen, für einen Tag Raver genannt, kamen zur größten Techno-Party der Welt. Deutlich weniger als von den Veranstaltern erwartet. Sogar bei der Abschlussparty vor der Siegessäule herrschte viel weniger Gedränge als vor einem Jahr.

Love-Parade-Erfinder Doktor Motte sagte hier nur zwei Sätze – die Botschaft der als politische Demonstration angemeldeten Veranstaltung: „Back to the roots, unsere Welt ist Klang.“ Dazu passend das Motto des diesjährigen Umzugs, das mancher als Drohung empfindet: „One World, one Love Parade.“ Der Protest gegen die Kommerzialisierung des Techno blieb allerdings bescheiden: Lediglich 3.000 Menschen zogen auf der „Fuck Parade“, von knallharten Gabba-Grooves beschallt, durch Mitte und Prenzlauer Berg.

Die unzähligen Händler am Rande der Love Parade hatten sich offenbar mehr erwartet. Fliegende Händler setzten die Preise herab, und die Catering-Firma DB-Gastronomie blieb auf rund drei Vierteln ihrer Cola- und Brause-Kisten sitzen. Schuld seien das kühle Wetter und die hohen Preise gewesen, berichtet ein Händler. Für eine Cola mussten 4,50 Mark plus 50 Pfennig Pfand hingeblättert werden. Trotz des Pfandsystems musste die Stadtreinigung rund 100 Tonnen Müll am Rande der Parade zusammenkehren, immerhin 200 Tonnen weniger als 1999.

Wie in den vergangenen Jahren verlief die Love Parade relativ friedlich. Allerdings wurde ein 23-jähriger Mann aus Weißrussland bei einer Messerstecherei schwer verletzt. Mehr als 200 Raver wurden vorübergehend festgenommen, zumeist wegen Drogendelikten.

Eine 18-jährige Raverin ist nach der Love Parde vermutlich an einer Überdosis Ecstasy gestorben. Die junge Frau wurde am Sonntagmorgen in einer Wohnung in Wilmersdorf entdeckt. In der Nacht vor der Love Parade verunglückte ein 20-jähriger S-Bahn-Surfer tödlich.

Zu den gewohnten Problemen kam es bei der An- und Abreise. Auf den Autobahnen nach Berlin ging am Samstag gar nichts mehr. 70 Sonderzüge der Bahn brachten 300.000 Menschen in die Stadt. Bei der Abreise musste der Bahnhof Zoo vorübergehend geschlossen werden.

Wirtschaftlich gesehen hat sich die Parade für Berlin gelohnt. Nach einer aktuellen Untersuchung des Instituts für Markt- und Wirtschaftsforschung FfH gab jeder auswärtige Raver durchschnittlich rund 255 Mark in der Hauptstadt aus: für Verpflegung, Shopping, Partys, Übernachtung, Nahverkehr. Die Forscher hatten über 1.100 auswärtige Raver im Auftrag verschiedener Unternehmen befragt. Das Durchschnittsalter lag bei knapp 22 Jahren.

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