Der letzte Schlagabtausch vor Sydney

Die besten Volleyballteams der Welt absolvieren ab heute bei der World League ihren vorolympischen Härtetest

ROTTERDAM taz ■ „Ich bin sicher, dass die russische Mannschaft zu den besten Teams in Rotterdam gehören wird“, sagte der kubanische Nationalcoach Juan Díaz vor den heute beginnenden Partien der World League im Volleyball. Im Vorjahr hatten die Kubaner erst im Finale den Kürzeren gegen Italien gezogen. In diesem Jahr sind sie bei dem Turnier der besten sechs überraschenderweise gar nicht dabei. Gegen die Russen gewannen sie nicht eines ihrer vier Qualifikationsspiele.

Mit einer Durchnittsgröße von über zwei Metern stellt Russland die längste Mannschaft des Turniers. In Stanislaw Dineikine und Igor Kazakow haben sie zwei Riesen von 2,16 Meter im Team, die auch für andere Mannschaften kaum zu blocken sind. Zudem können sie mit Roman Jakowlew den Ausnahmeangreifer des Weltcups im letzten Dezember aufbieten. In Japan führte Jakowlew gemeinsam mit Igor Tschulepow sein Team zum Titelgewinn. Souverän präsentierten sich die Russen auch in der Qualifikation zur World League. Sie konnten es sich sogar leisten, Jakowlew zu schonen und junge Nachwuchsspieler einzusetzen.

Zu rechnen sein wird aber auch mit dem US-Team. Rechtzeitig zu den Olympischen Spielen in Sydney erlebt der US-Volleyball eine Renaissance, und folgerichtig haben sich die Spieler von Trainer Doug Beal recht locker für das mit 10 Millionen US-Dollar dotierte Turnier in Rotterdam qualifiziert. Zehn Siege in Folge gegen Teams wie Brasilien, Spanien und Polen sprechen eine deutliche Sprache, und erst in den letzten beiden Spielen ließ das längst qualifizierte Ensemble aus der neuen Welt den letzten Biss vermissen. In Brasilien bezogen die USA zwei Niederlagen gegen die glänzend aufgelegten Gastgeber, die sich damit noch für Rotterdam qualifizierten.

Der US-Coach wird seinen Spielern den Ausrutscher verzeihen, denn immerhin hat sich das Team nach fünfjähriger Abstinenz bei der World League in der internationalen Spitze zurückgemeldet. Lloy Ball, Mike Lambert und George Roumain gehören zu den Leistungsträgern und sorgten schon im Vorjahr mit dem vierten Platz beim World Cup für Furore. Damals mussten sich die Kubaner, aber auch die Italiener der Überraschungsmannschaft des Turniers geschlagen geben.

Für Juan Díaz gehört aber auch Jugoslawien, heute im Auftaktmatch Gegner der Russen, zu den Favoriten. Der Vizeweltmeister von 1998 hat eine starke Mannschaft mit sieben Zwei-Meter-Spielern, die den Italienern in der Qualifikation das Leben schwer machten. Dreimal schlugen sie die Mannschaft von Startrainer Andrea Anastasi. Ein Grund für den jugoslawischen Erfolg liegt darin, dass nicht weniger als acht Spieler der Equipe von Trainer Zoran Gajic in der italienischen Liga, dem Mekka des internationalen Volleyballs, spielen. Vladimir Grbic gehört zu den weltweit besten Scorern, und auch Goran Vujevic und Andrija Geric haben in der italienischen „A Uno“ bei Montichiari noch eine ganze Menge dazugelernt.

Trotz der vielen Thronanwärter bleiben die Italiener als erfolgreichste Turniermannschaft der 90er-Jahre der Topfavorit. Diesen Status können ihnen auch die Holländer vor heimischen Publikum nicht nehmen. Allem Anschein nach ist die große Zeit der „fliegenden Holländer“ ohnehin vorbei. In der Qualifikation machten sie eine unglückliche Figur.

Letztlich, da ist Juan Díaz sicher, wird die Tagesform den Ausschlag geben. Für den Kubaner ist die internationale Spitze so eng zusammengerückt, dass jeder jeden schlagen kann. Er darf sich derweil darauf konzentrieren, seine Mannschaft auf Sydney einzustellen. Dort ist ein Platz unter den ersten drei das erklärte Ziel der World-League-Abstinenzler. KNUT HENKEL