Oranier machen Zoff

Weil ihr Marsch durch die katholische Garvaghy Road in Portadown verboten bleibt, droht der radikale nordirische Orden mit Protesten

DUBLIN taz ■ Die politische Erziehung beginnt früh in der nordirischen Stadt Portadown. „Geboren, um auf die Garvaghy Road zu scheißen“, so steht auf einem Babylatz, der im Geschäft „Pride of the Hill“ im Stadtzentrum verkauft wird. Daneben gibt es gerahmte Fotos von Billy Wright, einem loyalistischen Killer, der vor anderthalb Jahren im Gefängnis Long Kesh von einer Splittergruppe der IRA umgebracht worden ist. Ins Gästebuch des Ladens haben Leute geschrieben: „Wir kämpfen bis zum Ende. Jetzt oder nie.“

Aber auch gestern, wie schon in den beiden vergangenen Jahren, durfte der protestantische Oranier-Orden nicht durch das katholische Viertel an der Garvaghy Road marschieren. Die Parade, mit der die Oranier der Toten der Schlacht an der Somme gedenken, ist längst zu einer Machtfrage in Nordirland geworden. Nach dem Gottesdienst auf halber Strecke in der Himmelfahrtskirche auf dem Hügel von Drumcree war ihnen der Weg versperrt, Polizei und Armee hatten Stahlbarrieren errichtet und Wassergräben gezogen. Eine andere Oranier-Parade in Stewartstown, 20 Kilometer entfernt, musste gestern umgeleitet werden, weil eine IRA-Splittergruppe in der Nacht zuvor einen Bombenanschlag auf das Polizeirevier verübt hatte.

Die Führung des Ordens in Drumcree wollte dem Einsatzleiter der Polizei gestern mittag einen Protestbrief überreichen, doch keiner der Beamten traute sich auf die andere Seite der Barrikade. In den vergangenen acht Tagen, seit die „Probe-Parade“ verboten worden war, ist die Polizei in fast allen Teilen der Krisenprovinz von protestantischen Extremisten angegriffen worden. Der protestantische Erzbischof Robin Eames sagte am Samstag, der Kampf um Drumcree habe aufgrund der Ausschreitungen „jede Würde eingebüßt, die er vielleicht mal hatte“.

Harold Gracey, der Großmeister der Oranier-Loge von Portadown, begrüßte die Unterstützung der Ulster Freedom Fighters (UFF), einer protestantischen Terror-Organisation, die auch gestern wieder in Drumcree präsent war. Ein Sprecher der UFF drohte, jeden Tag einen Katholiken zu erschießen, bis die Parade durch die Garvaghy Road genehmigt wird.

Die Oranier-Loge von Portadown hat für heute Nachmittag zu massenhaften Protesten aufgerufen, um Nordirland für vier Stunden lahm zu legen. Und für Mittwoch sind landesweit hunderte von Paraden angekündigt. Es ist der wichtigste Gedenktag. An diesem Tag vor 310 Jahren hat Wilhelm von Oranien, der Namensgeber des Ordens, in der Schlacht am Boyne seinen katholischen Widersacher und Schwiegervater Jakob II. besiegt und die protestantische Thronfolge in Großbritannien gesichert.

Nordirland steht wieder mal am Abgrund. Aber auch das hat Tradition. RALF SOTSCHECK