wozu noch love parade?
: Raver von der traurigen Gestalt

Klingt wie ein Witz: Stehen eine Million Menschen im Berliner Tiergarten und warten, dass etwas passiert. Irgendwann passiert dann meist auch etwas – aber erst, wenn das viele Bier oder ein anderes Betäubungsmittel zu wirken beginnt. Wobei gegen einen hübschen Drogenrausch nichts einzuwenden ist. Bloß, wozu braucht es noch die Love Parade?

Am letzten Wochenende war es mal wieder so weit, zum immerhin sechsten Mal im Wendekreis der Siegessäule. Doch von außen betrachtet, ist nicht mehr viel Bewegung in der Love Parade. Das liegt nicht nur am Schneckentempo der Trucks, die sich durch die stehende Masse der Schaulustigen – Tänzer fallen kaum noch ins Gewicht – schieben. Und daran ändern auch die hektisch hin und her wackelnden Kameras wenig, mit denen die übertragenden TV-Sender versuchen, der Veranstaltung den Anschein des Außergewöhnlichen zu geben. Die Luft ist raus, und die meisten Raver machen eine eher traurige Figur. Bei jedem Zweitliga-Fußballspiel kommt bessere Stimmung auf.

Kommentarvon DANIEL BAX

Die Love Parade ist ein Dinosaurier, der nur noch künstlich am Leben gehalten wird durch die Lokalmedien, die den Metropolenmythos schüren, und die Stadt, die vom Touristenboom profitiert. Die meisten Berliner, so sie nicht beruflich involviert sind, machen einen großen Bogen um die Veranstaltung. Nun ist spätestens seit „Big Brother“ klar, dass auch ein Nichtereignis Massen zu mobilisieren vermag, wenn es nur medial entsprechend aufbereitet wird. Doch die Love Parade hat ein Problem: Sie hat immer mehr Zaungäste und Zuschauer, aber immer weniger Akteure. Und die sind, so sie nicht daran verdienen, auch nur noch ohne Begeisterung dabei.

Aber die Love Parade gehört inzwischen zu Berlin wie das Oktoberfest nach München oder der Karneval nach Köln – und sie zieht inzwischen auch das gleiche Publikum an: Großstadttouristen aus aller Welt und Erlebnishungrige aus der deutschen Provinz. Einmal im Jahr wird Berlin zum Ballermann der Republik. Nur, dass in diesem Jahr das Wetter nicht mitspielte. „Keine Titten“, beschwerte sich ein Zuschauer bei Viva per Fax.

Doch der Sinn der Love Parade wird nicht mehr hinterfragt – wegen ihrer enormen Bedeutung für Berlin und für das Image Deutschlands. Ein Niedergang der Love Parade wäre fatal. Gerade jetzt, wo sie mit Hilfe der Goethe-Institute als deutsches Kulturgut in alle Welt exportiert wird, heute nach Mexiko-Stadt und morgen nach Hongkong.