Insel der Seligen

Sylt ist ein Magnet für Investoren und die Erbengeneration – mit anderen Worten für nahtlos gebräunte Taugenichtse  ■ Von Peter Ahrens

Der erste Kontakt mit Sylt war in einem Wohnzimmer in Westfalen am Sonntagabend vor dem Fern-seher. Es muss 1972 gewesen sein, Kommissar Finke ermittelte im Tatort auf der Insel. Die Leute dort waren reich, die Leute hatten wenig anzuziehen, und die Leute hatten Dreck am Stecken. Da verfestigte sich das Bild: So muss Sylt sein.

Irgendwann später wurde klar: So ist Sylt. 40-jährige nahtlos braun gebrannte Nichtsnutze, die ihre Firmen verkauft oder an der Börse abgesahnt haben, hängen im Club Rotes Kliff („ein gut gelaunter Treffpunkt für Schauspieler, Sänger, Wirtschaftsgrößen aus Jet Set und gehobener Mittelschicht“) herum, da, wo schon Dieter Bohlen Harald Juhncke und, man glaubt es nicht, selbst Roland Kaiser gefeiert haben, oder saufen im Pony („Was den Champagner anbetrifft, so ist der ohnehin bei uns Stammgast“) den Pony Spezial: Gemixt aus eiskaltem Wodka, Zitrone, Cointreau, Blue Curacao, Eis und viel Schampus. Danach zieht die verkaterte Gemeinde aus dem „St. Tropez des Nordens“ in Tappe Walters Hof oder zu Manne Pahl, um zum Frühstück Ei im Glas zu bestellen.

Für den kurzen Weg zum morgendlichen Wiedererwecker brauchts neben der Stammtränke auch einen festen Wohnsitz. Doch wer sich für eine Sylter Immobilie interessiere, hat die Hamburger Immobilienagentur Engel und Völkers gerade herausgefunden, sei ohnehin bereit, den entsprechenden Preis zu zahlen. Die entsprechenden Preise: In Kampen belaufen sich die Erwerbskosten für ein Einfamilienhaus auf mindestens fünf Millionen Mark. Erheblich günstiger, man ist versucht, zum Terminus billig zu greifen, sind dagegen Morsun, Archsum und Keitum. Dort beginnen die Preise schon bei 2,5 Millionen Mark. Bauland ist ab 1300 Mark pro Quadratmeter zu haben, Eigentumswohnungen ab 10.000 Mark pro Quadratmeter.

Bei solchen Angeboten muss zugegriffen werden: Der „Magnet Sylt“ übe nach wie vor eine ungebrochene Anziehungskraft auf Investoren und Privatleute aus, stellt Engel und Völkers fest. Auf Sylt mache sich die Erbengeneration bemerkbar. Eine Sylt-Immobilie, so die Agentur, sei eine sichere Investition, von der man vor allem selbst am meisten profitiere.

Sylt ist bekanntlich eine Insel der Seligen, beziehungsweise eine Ansammlung „überschäumender, zusammenpassender Charaktere“ (Werner Höfer, Hajo Friedrichs), genannt auch „wohlgestylte Typen, die die Puppen tanzen lassen“. Auch Ulrike Meinhof hatte ein Haus auf Sylt. Die Bild-„Zeitung“ hatte damals herausgefunden, dass dort in den 60ern wilde Partys stattfanden. Heute hat kein RAF-Mensch mehr ein Haus auf Sylt, dafür aber Gunther Sachs. Oder war das Marbella?

Das Schöne an der Klimakatastrophe und den abschmelzenden Polkappen ist ja, dass solche Inseln als erstes geflutet werden. Hamburg bleiben dann noch grob geschätzt 30 Minuten, sich hämisch zu freuen.

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