Denkmal im Gegenlicht

Kurz vor der Heiligsprechung eine Frage: Was ist eigentlich Franz Beckenbauer für einer?

Die Gratulation nahm gigantische Ausmaße an. Bild hatte wieder einmal deutsch geflaggt. Ein Denkmal sollte ihm gesetzt werden, der „Lichtgestalt“ und dem „Über-Kaiser“. Während Beckenbauer einen Deutschländer par excellence verkörpert, wurde er vom Spiegel als einer gelobt, der schon immer gegen die deutsche Norm verstoßen habe, indem „er früher mit seiner Geliebten nach New York vor deutscher Enge geflohen“ sei und dabei eine „Gemeinde empörter Spießer“ zurückließ. Zwar ist es keine Heldentat, auf diese Weise gegen „die deutsche Norm“ zu verstoßen, aber da Beckenbauer kurz vor der Heiligsprechung steht, ist es ganz egal, was für ein Kotzbrocken er ist. Sie liegen ihm zu Füßen und himmeln ihn an.

Beckenbauer, der sich noch von den schmierigsten Reportern duzen lässt, erscheint nur noch im Gegenlicht, quasi mit eingebautem Heiligenschein. Vergessen sein arrogantes Auftreten, wenn ihm mal einer nicht auf dem Bauch liegend die nötige Ehrerbietung erweist oder nicht in die Knie geht, wenn er seine an Einfältigkeit kaum zu übertreffenden Spielanalysen von sich gibt. Vergessen seine grandiose Fehleinschätzung nach der Wiedervereinigung und der 1990 gewonnenen Weltmeisterschaft, als er meinte, Deutschland wäre zusammen mit dem Osten nun über Jahrzehnte hinweg unschlagbar, obwohl man gerade eines der schlechtesten Endspiele in der Geschichte des Fußballs gesehen hatte. Vergessen auch, dass er als Schauspieler weit über die Schmerzgrenze peinlich war und als Schlagersänger deutsche Haushalte über Jahre hinweg kontaminiert hat. Seine Versuche als Trainer bei Olympique Marseille waren auch nicht gerade erfolgreich und wurden bereits nach wenigen Monaten gestoppt. Dort aber dürfte er sich mit der hohen Kunst der Korruption vertraut gemacht haben, die dem Verein die Liga-Lizenz gekostet hat.

Vielleicht aufgrund dieser Erfahrungen pflegte Franz Beckenbauer die neue deutsche Bescheidenheit in der Bewerbung um die WM, die wiederum so penetrant in den Vordergrund gestellt und belobhudelt wurde, dass man zu Recht misstrauisch werden konnte. Ganz allein und nur unterstützt vom dubiosen Fedor Radmann, auch „Schiebor“ genannt, der schon 1972 die Olympischen Spiele in der Bunzreplik organisiert und wie sein Freund Franz und Kumpel Blatter bei adidas gearbeitet hatte, soll Beckenbauer der Saga nach die WM geholt haben. „Unsere bescheidene, offene und ehrliche Art“, haut sich Fedor Radmann ganz unbescheiden selbst auf die Schulter, soll ausschlaggebend gewesen sein, und: „Wir waren immer fröhlich und haben viel gelacht.“ Und man weiß sofort, da möchte man nicht um alles in der Welt dabei gewesen sein, denn Beckenbauers Witz bewegt sich bekanntlich auf einer Ebene, der noch aus der Steinzeit herrührt.

Vielleicht aber war es ja tatsächlich diese Art von Humor, die Beckenbauer die WM bescherte. Das Zünglein an der Waage Dempsey strich irgendwann entnervt die Segel, weil er die Witze von Beckenbauer einfach nicht länger ertrug und er keine andere Möglichkeit sah, ihnen zu entgehen, als sich der Stimme zu enthalten. Und auch diejenigen Fifa-Vertreter, die sich leichtsinnigerweise von Beckenbauer nach Kitzbühel zum Golf einladen ließen, kehrten verwirrt und erschüttert zurück. Als unmittelbare Reaktion auf diese psychologische Kriegsführung wurden neue Richtlinien erlassen. Eine davon untersagt Einladungen, es sei denn, es handelt sich um eine Einladung zu einem Fußballspiel. Nach dieser neuen Regel wäre Deutschland disqualifiziert worden, aber jetzt ist es zu spät. Franz Beckenbauer wird uns auch weitere sechs Jahre schwer auf die Nerven gehen. Vor allem mit seinem Humor. „Die Südafrikaner“, meinte der Mann mit der Maske, „ja, das ist Emotion pur.“ Und lachte laut über die verstandesfreien Negerlein. KLAUS BITTERMANN