„Maulkorb bietet optimalen Schutz“

■ Kampfhund-Zucht und -Handel werden nun doch sofort per Verordnung verboten / Ursprünglich sollte Gesetz im Herbst her

Kampfhunde sind ein Thema, das die Menschen erregt. Da fordert ein Professor im Weser-Kurier Maulkorbzwang für alle Hunde und bei Nichtbeachtung die „finale Präventiv-Rettung aus der Dienstwaffe“ eines Polizeibeamten. Da fragt der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Mathias Henkel jene Zeitung ob ihres Redigats empört: „Wann geben Sie jeden Fahrer eines großen Wagens zum Abschuss frei, weil Kriminelle bekanntlich große Autos fahren?“ Und Bremens Innensenator Bernt Schulte hat nun Handel und Zucht von Kampfhunden per Verordnung verboten. Obwohl er bisher mehrfach erklären ließ, dazu sei ein Gesetz nötig. Und davon nicht abrückte, obwohl anderen Bundesländern wie Niedersachsen oder Hessen dazu eine Verordnung reichte. Die taz fand, es lohne, ein paar Stationen der Debatte zu dokumentieren:

Im April fallen Kampfhunde in Bremerhaven wiederholt Menschen, darunter zwei Kinder, an. Am 3. Mai erlässt Fishtown Maulkorb- und Leinenpflicht für zehn Rassen so genannter Kampfhunde.

Zwei Tage später kündigt Innensenator Schulte dasselbe für Bremen an. Am 10. Mai fordert SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen zusätzlich erhöhte Kampfhundsteuer und eine Zuverlässigkeitsprüfung. Ende Mai, Anfang Juni stimmen Innendeputation, Senat und Bürgerschaft der neuen Polizeiverordnung – Maulkorb- und Leinenzwang für zehn Hunderassen, Registrierungspflicht für bereits existente Tiere sowie Erlaubnispflicht für Neuanschaffungen – zu.

Dann wird Bremen von den Ereignissen überrollt. Am Montag, 26. Juni, wird in Hamburg ein sechsjähriger Junge von zwei Kampfhunden zu Tode gebissen. Zwei Tage später lässt Schulte verkünden, Bremen sei mit seiner Verordnung „Spitze im Vorgehen gegen Kampfhunde“, verweist auf ein geplantes Gesetz zum Zucht-, Handels- und Importverbot, „dessen Erarbeitung einige Monate dauern wird.“ Je weitreichender der Eingriff, desto grundlegender müsse die Regelung sein, begründet Sprecher Hartmut Spiesecke, und die Ausarbeitung des Gesetzes dauere nunmal „eine kleine Weile“. Einen Tag später fordert die Bremer SPD ein sofortiges Zucht- und Handelsver-bot. Schulte kontert wiederum einen Tag später, am 30. Juni: „Maulkorb bietet optimalen Schutz vor Hundebissen“, heißt die Überschrift seiner Presse-Mit-teilung, in der nochmal auf das geplante Gesetz verwiesen wird, das nun „so schnell wie möglich“ beschlossen werden soll. Als erster Schritt sei der Maulkorbzwang jedoch ausreichend.

Am Dienstag, 4. Juli, tritt die neue Verordnung mit Maulkorb- und Leinenzwang in Kraft. Schulte und seine Leute sind indes schon einen Schritt weiter. Am selben Tag verkündet eine Pressemitteilung: „Innensenator Dr. Bernt Schulte hat unmittelbar im Anschluss an die Innenministerkonferenz im Mai (bei der sich auf Maßnahmen gegen Kampfhunde geeinigt wurde, Anm. d. Red.) eine rechtliche Regelung für ein Zuchtverbot in Auftrag gegeben. Der Entwurf für eine städtische Verordnung liegt seit heute vor und wird nun mit dem Gesundheitsressort abgestimmt.“ Aus dem Gesetz ist nun eine Verordnung geworden. Und eine Woche später, nämlich vorgestern, ist es Bremerhaven, das das Zucht- und Handelsverbot per Verordnung erklärt, „das gleichzeitig vom Innensenator auch in der Stadt Bremen“ eingeführt werde.

„Weil wir ihn unter Druck gesetzt haben“, glaubt SPD-Sprecher Werner Alfke, habe Schulte die Verordnung erweitert. Denn die SPD-Bürgerschaftsfraktion hatte noch einen Gesetzesentwurf in petto, der sowohl Tötung, als auch Sterilisation und Kastration von Kampfhunden möglich machen sollte. Dem schloss sich die CDU zwar nicht an, aber öffentliche Beachtung war den GenossInnen sicher.

Ressortsprecher Spiesecke gesteht, dass Zugzwang existiert habe, aber: „Ein sachlicher, kein politischer.“ Und: „Wenn's in der Sache richtig ist, kann man's auch drei Monate vorher machen.“ Die neue Verordnung soll voraussichtlich am kommenden Dienstag in Kraft treten. sgi