Kirche will sich Geschichte stellen

Über 55 Jahre nach Kriegsende will sich die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg der eigenen Geschichte mit NS-Zwangsarbeitern stellen. Es sei „bedrückend“, wie „planmäßig“ Kirchengemeinden den kriegsbedingten Mangel durch den Einsatz so genannter Ostarbeiter und anderer Arbeitskräfte etwa für Arbeiten auf Friedhöfen ausgeglichen hätten, erklärte gestern Bischof Wolfgang Huber. „Damit waren sie eingebunden in das NS-Herrschaftssystem.“ Bislang habe sich die Kirche an dem „blinden Fleck“ beteiligt, den es in der deutschen Gesellschaft gegenüber den Zwangsarbeitern gegeben habe.

Nach Angaben von Mitarbeitern des Kirchenkreises Stadtmitte hatten 26 evangelische und zwei katholische Gemeinden im Jahr 1943 ein Arbeitslager für knapp 100 Menschen eingerichtet, das sich bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges auf dem Jerusalemer Kirchhof befand. Aus Unterlagen im Gemeindearchiv lasse sich indirekt auf unwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen schließen. 47 Namen so genannter Ostarbeiter seien bekannt. Den Einsatz von Zwangsarbeitern will die Landeskirche jetzt durch ihre Arbeitsgruppe untersuchen lassen, die seit mehreren Jahren die Geschichte der Landeskirche zwischen 1933 und 1945 erforscht. Die Aufarbeitung der NS-Zeit sei bislang auf Kirche und Diakonie beschränkt gewesen. Erst jetzt richte sich das Augenmerk auch auf die wirtschaftliche Dimension. EPD