Pilzsuche nur gegen Eintritt

Brandenburg plant die Umwandlung der landeseigenen Waldflächen in eine Anstalt öffentlichen Rechts. Umweltschützer machen gegen den Plan mobil: Sie befürchten Eintrittsgelder für den Wald

von RICHARD ROTHER

Den zahlreichen Berliner Brandenburg-Ausflüglern, von den Einheimischen liebevoll Buletten genannt, könnte demnächst eine unangenehme Überraschung drohen: Eintrittsgeld für den Wald. Eine Gebühr für ihre Liebligsbeschäftigungen: beim Pilzesuchen die Schonung zu zertrampeln, beim Schwimmen in die Seen zu pinkeln. Das befürchten zumindest Brandenburger Umweltverbände, die energisch gegen mögliche „Wald-Eintrittsgelder“ protestieren. „Der Wald ist für alle da. Das muss so bleiben“, schimpft Norbert Wilke, Sprecher der Grünen Liga.

Hintergrund der Aufregung ist die geplante Forstreform, die derzeit im Potsdamer Landtag diskutiert wird und von der großen Koalition noch vor dem Herbst beschlossen werden soll. Die Reformer wollen die landeseigene Forstbehörde in eine Anstalt öffentlichen Rechts umwandeln. Diese Organisationsform kann nach ihrer Ansicht wirtschaftlicher arbeiten als eine Behörde.

Der Schritt ist bundesweit einmalig und soll langfristig den stark defizitären Forstbetrieb der schwarzen Null näher bringen. Notwendig sei dafür nicht nur eine „äußerst schlanke Organisation“, sondern auch eine „erfolgreiche Erschließung weiterer Geschäftsfelder“, heißt es in einem Gutachten.

Das finanzschwache Brandenburg, das die jährlichen Forstsubventionen von 200 Millionen auf 35 Millionen Mark reduzieren will, orientiert sich am österreichischen Modell. In der Alpenrepublik wurde der Forstbetrieb in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Situation ist jedoch kaum vergleichbar: In Österreich wachsen hochwertige Bäume, auf den Brandenburger Sandböden gedeihen überwiegend minderwertige Kiefern. Außerdem vermiete die Alpenrepublik prestigeträchtige Schlösser an Private, in Brandenburg gibt es überwiegend einfache Forsthütten. „Wo soll das Geld herkommen, wenn nicht durch den Verkauf von Begehungsrechten?“, fragt Umweltschützer Wilke.

Jens-Uwe Schade winkt ab. „Das ist totaler Schwachsinn“, sagt der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums. Begehungsrechte zu veräußern, würde gegen bestehende Gesetze verstoßen. Diese garantierten auch die Entnahme von einzelnen Waldprodukten. „Das haben unsere Vorfahren in der Revolution von 1848 erkämpft.“ Vielmehr müsse das Land versuchen, durch die touristische Bewirtschaftung der Liegenschaften – etwa ehemalige Kinderferienlager von DDR-Betrieben – die Einnahmesituation zu verbessern.

Dass die Pilze nicht ganz so heiß gegessen wie gekocht werden, zeigt ein weiteres Argument: Die Kosten für den Verwaltungsaufwand, der durch die Vergabe und Kontrolle von Begehungsrechten entstünde, würden die Einnahmen bei weitem übersteigen.

Allerdings werden manche Befürchtungen der Umweltschützer auch in der Fortsverwaltung geteilt. Der Forstbetrieb könne kaum wirtschaftlich geführt werden, heißt es. Bis wertvolle Hölzer heranwüchsen, würden Jahrzehnte vergehen. Zudem könne die Forstanstalt langfristig ihre Umwelt- und Waldschutzaufgaben kaum erfüllen, wenn ein wirtschaftlicher Betrieb oberste Priorität habe.

Unbehagen schafft zudem die Privatisierung der Brandenburger Waldflächen. Bis 2008 sollen bis 75 Prozent der Waldflächen veräußert werden – Flächen, die vor 1945 nicht dem Land Preußen gehörten, sondern in privatem Besitz waren. In der sowjetischen Besatzungszone waren die Grundbesitzer enteignet worden. Deren Ahnen kaufen nun das Land Stück für Stück zurück. Mitunter Besitzer, denen Besucher aus dem gemeinen Volk ein Stachel im Auge des Jägers sind. In der Forstverwaltung weiß man von einem makabren Fall: Ein Privatbesitzer hat Schilder aufgestellt hat, auf denen vor einem Betreten des Waldes gewarnt wird – wegen angeblicher Munitionsverseuchung. Sachlich falsch und rechtlich unzulässig. „Das sind keine Einzelfälle, und keiner kann das kontrollieren“, schimpft Grüne-Liga-Mann Wilke.

Für Erholungssuchende ist das zwar lästig, aber für den Wald kein Drama. Anders die Jäger im Privatwald, die häufig nur auf Trophäen aus sind. Und deswegen zu wenig Wild schießen. Denn je mehr Wildnachwuchs, desto größer die Chance, dass ein prächtiges Geweih dabei ist. Die Folge: Im Wald tummelt sich zu viel Viehzeug, das die jungen Sprößlinge kahl frisst – dem Wald fehlt der gesunde Unterbau.

Probleme wirft zudem das Hauptanliegen der Forstreform auf – die hohen Personalkosten zu drücken und bis zu 900 Stellen in den nächsten Jahren zu streichen. Dies sei notwendig, um in den nötige Waldumbau – die Kiefern- in Mischwälder zu verwandeln – zu investieren, so Schade.

„Wir können die Leute nicht im Wald stehen lassen“, kritisiert Umweltmann Wilke. Außerdem sei im Wald genug Arbeit, für die qualifiziertes Personal benötigt wird: in der ökologischen Ausgestaltung der Landeswälder, vor allem aber bei der Betreuung beziehungsweise Überwachung der Privatwälder.

Umweltschützer, die PDS-Opposition und Gewerkschaften protestieren deshalb gegen die Forstreform. Sollte sie durchkommen, soll ein Volksbegehren organisiert werden. Wilke: „Sonst geht im Brandenburger Wald in zehn Jahren alles drunter und drüber.“ – Auch ohne Besucher aus Berlin.