Autofahrer lassen sich aushalten

Deutsche Bürger zahlen pro Person und Tag sechs Mark für den Autoverkehr – obwohl viele kein Kfz besitzen. Die insgesamt 2.190 Mark pro Jahr sollten vom Finanzamt zurückerstattet werden, meinen zwei alternative Verkehrsverbände

von KATHARINA KOUFEN

Jeder Deutsche, vom Greis bis zum Baby, zahlt pro Tag sechs Mark für den Autoverkehr. Das ist das Ergebnis einer Studie, die die Verkehrsverbände UMKEHR e.V. und FUSS e.V. gestern in Berlin vorgestellt haben. Darin bilanzieren die Autoren Kosten und Ausgaben des Autoverkehrs und vergleichen sie mit denen von Bus und Bahn. Als Grundlage dienen die Verkehrsstudien zweier Wirtschaftsinsitute und des Umweltbundesamts.

Zu den Kosten rechnen die beiden Verbände etwa Bau und Erhalt von Straßen und Schienen, Unfälle, Lärm, Luft-, Klima-, Boden- und Wasserbelastung, Fußgänger-Wartezeiten sowie Radwege, die zur Vermeidung von Straßen gebaut werden.

So ergaben sich beim Autoverkehr – Lkw wurden ausdrücklich nicht berücksichtigt – für 1998 Kosten von rund 213 Milliarden Mark. Mit einem Drittel fallen alleine die Unfallfolgen ins Gewicht. Die Einnahmen aus Mineralöl- und Kraftfahrzeugsteuer hingegen betrugen nur rund 51 Milliarden Mark. Abzüglich der vom Staat bezuschussten Kilometerpauschale und Firmenwagen bleiben etwa 39 Milliarden Mark. Saldo: Ein Loch von 173 Milliarden Mark, das über Steuern oder Krankenkassenbeiträge gestopft werden muss – von allen.

Für Bahnen und Busse haben die Autoren der Studie ein Minus von rund elf Milliarden Mark errechnet. Auf 82 Millionen Deutsche umgerechnet heißt das, dass jeder den öffentlichen Verkehr täglich mit 35 Pfennig subventionieren muss. Fußgänger und Radfahrer seien in der Studie nicht berücksichtigt worden, „weil flächendeckende Daten fehlen“, so Lieb. Aus punktuellen Untersuchungen könne man jedoch auf ein Plus in der Bilanz schließen. Denn selbst die Ökostadt Freiburg steckt nur ein Prozent seiner Verkehrsausgaben in Radwege, obwohl Radler 20 Prozent des Verkehrs ausmachen.

Um „Kostengerechtigkeit“ im Verkehr herzustellen, schlägt die Studie einen Ökobonus vor, wie es die Stadt Basel vorexerziert. Dort werden die Nettokosten des Pkw-Verkehrs auf alle Einwohner umgelegt. Pro Kopf würde das in Deutschland 2.190 Mark ausmachen. Diese Summe müsste vom Finanzamt einmal im Jahr an alle Verkehrsteilnehmer ausgezahlt werden. Das Geld sollte, so FUSS e.V., aus einem Ökobonus stammen, der auf das Benzin aufgeschlagen wird: Die Pkw-Kosten, auf den Kraftstoffverbrauch umgelegt, ergäben damit einen Zuschlag von 3,53 Mark. Der Liter Benzin würde rund 5,50 Mark kosten. Im Vergleich zur Ökosteuer hätte das den Vorteil, das es sparsamen Autogebrauch belohnt. Die Ökosteuer hingegen sei für die Rentenkasse nötig, so Lieb. „Umweltbewusstsein ist nicht wirklich erwünscht.“

Anlass für die Studie: „Mythen wie der des geschröpften Autofahrers“, sagt der Autor. „Die wollen wir widerlegen.“ Tatsächlich schlägt etwa der ADAC ganz andere Töne an: „Der Fiskus bittet die deutschen Autofahrer im Vergleich zu den staatlichen Leistungen im Straßenbau viel zu stark zur Kasse“, schreibt der ADAC in einem Brief an seine Mitglieder. Und rechnet seinerseits vor, dass die Kfz- und Mineralölsteuer sowie Lkw-Maut die Investitionen in die Straße um 40 Milliarden Mark übersteigen.

Ein weiterer Mythos: „Autoverkehr schafft Wohlstand für alle.“ Falsch, kritisiert die Studie. Der Pkw nutze nur denen, die drin sitzen. Die Schäden hingegen – Lärm, Abgase, Gefahr – beträfen vor allem die Fußgänger und Radfahrer. Und die Armen: Zwei Drittel der einkommensschwächsten Haushalte verfügen über kein Auto. Gerade diese Menschen wohnen aber oft an lauten und gefährlichen Straßen. Schließlich entstehen Sozialwohnungen selten in privilegierter Wohnlage.